Die G-Frage: Götze oder Gomez - wer spielt gegen Polen?

München - Wäre Joachim Löw die Art von Trainer, die nur auf blanke Zahlen vertraut, würden die Startelf-Chancen für Mario Götze vor dem zweiten Gruppenspiel gegen Polen an diesem Donnerstag (21 Uhr, live im ZDF) ganz schlecht stehen. Der Offensivstar des FC Bayern kam im Auftaktmatch gegen die Ukraine auf nur 44 Ballkontakte, zwischen der 18. und 37. Minute war er gar nicht am Ball, nur zweimal schoss er (ungefährlich) aufs Tor. Und das als einzige nominelle Sturmspitze, Götze gab wie schon öfter die „falsche Neun“. Eher eine unsichtbare Neun.
Die „echte“ Neun saß indes auf der Bank. 90 Minuten. Obwohl Mario Gomez im Vorfeld der EM auffällig oft gelobt worden war. „Brandgefährlich“ sei Gomez, „ein Stürmer der letzten Aktion“, sagte Löw. Bislang aber nur: ein Ersatzspieler. Bleibt das so? Setzt Löw auch gegen Polen auf Götze? Gibt er Gomez eine Chance? Oder bringt er sogar beide Angreifer zusammen?
Die AZ hat sich vor der Partie bei sechs früheren Nationalstürmern umgehört.
Uwe Seeler (72 Länderspiele, 43 Tore)
„Sicherlich war das gegen die Ukraine noch nicht das Nonplusultra in der Offensive. Ich persönlich bin immer dafür, dass auch ein echter Mittelstürmer vorne drin ist, der für Unruhe sorgt. Mario Gomez würde sicherlich weiter vorne spielen und die Abwehr der Polen vielleicht ein bisschen mehr beschäftigen. Und da er ja ein großer Kerl ist, kann er auch bei Flanken und Kopfbällen erfolgreich sein. Und dahinter könnte Mario Götze ja auch zusammen mit Gomez spielen. Götze war im ersten Spiel noch nicht so durchschlagskräftig, aber man muss ja erst ins Turnier kommen. Gefährlich sein und Unruhe stiften ist aber vom Sturm gefordert. Egal, wer da steht, das muss erfüllt werden.“
Deutscher Fluch: Im zweiten Spiel klappt es fast nie
Dieter Hoeneß (6 Länderspiele, 4 Tore)
„Mario Gomez hatte in der vergangenen Saison mehr Spielpraxis als Mario Götze. Er wäre die bessere Anspielstation, weil er ganz einfach mehr Durchschlagskraft hat. Deshalb kann ich mir gut vorstellen, dass es einen Wechsel gibt. Götze hat gegen die Ukraine nicht schlecht gespielt, er hat es ordentlich gemacht, es gab ja durchaus Torchancen. Aber die Variante mit Gomez erscheint mir einen Tick vielversprechender, er hat im Moment das Selbstvertrauen, das ein Stürmer braucht. Dass Götze und Gomez zusammen spielen, glaube ich eher nicht. Dann müsste Löw das Offensivsystem ändern, Julian Draxler weichen. Aber wir werden wohl eine ähnliche Aufstellung sehen wie im ersten Spiel.“
Dieter Müller (12 Länderspiele, 9 Tore)
„Es ist besser, wenn man es mal mit zwei Stürmern probiert, Gomez ganz vorne und Götze etwas dahinter. Gegen die Ukraine war Götze in der Spitze ein bisschen verloren, aber ohne ihn wirst du kein Europameister. Ich finde es gut, dass Joachim Löw Götze nach einer schweren Saison das Vertrauen gibt. Vielleicht braucht er nur mal ein Tor, um wieder zu alter Form zu finden. Gegen die Polen sollte Löw den Götze auf jeden Fall bringen, weil die Abwehrspieler sehr unbeweglich sind. Und dazu Gomez, der mit seiner Wucht und Robustheit andere Qualitäten hat.“
Horst Hrubesch (19 Länderspiele, 6 Tore)
„Man hat eine starke Alternative mit Mario Gomez, damit man auf bestimmte Situationen reagieren kann. Das ist sehr wichtig, so ist man flexibler. Aber warum nicht auch mit Götze und Gomez zusammen spielen? Das würde gut funktionieren. Gomez ist ein Spieler, der die Flanken von außen verwerten kann, das ist eine zusätzliche Option. Es gab aber ja auch schon gegen die Ukraine Möglichkeiten zu weiteren Toren, als Götze allein vorne agiert hat. Da haben sie es nur nicht konsequent zu Ende gespielt. Ich gehe davon aus, dass die deutsche Mannschaft schon gegen Polen konsequenter im Angriff agieren wird.“
Karl-Heinz Riedle (42 Länderspiele, 16 Tore)
„Gegen die Ukraine war es für Götze nicht ganz einfach. Die Aktionen, die er hatte, waren aber eigentlich ganz gut. Das Spiel ist irgendwann gekippt und die Ukraine hat viel Druck gemacht. Da war es auch für Götze wahnsinnig schwierig, weil er viel in der Defensive mitarbeiten musste. Die Vorzüge von Mario Gomez sind seine Kopfballstärke und seine körperliche Präsenz. Götze ist der beweglichere und kreativere Mann, Gomez mehr der typische Brecher vorne drin. Wenn man mehr über die Flügel spielen will, würde es Sinn ergeben, ihn aufzustellen. Es geht sowohl mit beiden als auch mit jedem einzeln.“
TV, Stream, Ticker: Deutschland gegen Polen live sehen
Stefan Kuntz (25 Länderspiele, 6 Tore)
„Ich denke, dass Jogi Löw seine Mannschaft im Vergleich zum Spiel gegen die Ukraine nicht verändern wird. Mario Götze hat nicht so schlecht gespielt, wie er in der Öffentlichkeit beurteilt wurde. Er hat sich gut bewegt, immer wieder angeboten, aber er wurde eben nicht so eingebunden ins Kombinationsspiel. Dass Götze das kann als Stürmer, hat er schon öfter bewiesen, zum Beispiel beim 4:1 im Testspiel gegen Italien in diesem Jahr. Es ist aber super, dass Löw einen topfitten Mario Gomez in der Hinterhand hat. Dass beide zusammen spielen gegen Polen, glaube ich aber nicht.“