Die DFB-Frauen: Gefragter als die Bayern
Deutschlands Fußball-Frauen kamen bei ihrem Finaleinzug auf mehr als 10 Millionen Zuschauer. Am Sonntag stehen sie im Endspiel. Neid: „Jetzt wollen wir auch den Titel”.
GÖTEBORG Diese Frauen haben sogar die Bayern ausgestochen! Durchschnittlich 8,22 Millionen – und mehr als 10 in der Spitze – sahen am Mittwoch im ZDF den Halbfinal-Triumph der Fußball-Frauen bei der EM in Schweden über die Gastgeberinnen. Eine herausragende Quote. Die Bayern gegen Barcelona beim Uli-Hoeneß-Cup wollten zuvor nur 5,11 Millionen Menschen sehen. Die Fußball-Frauen also derzeit sogar gefragter als Bayerns Triple -Helden?
Die Super-Kickerinnen um Bundestrainerin Silvia Neid stehen am Sonntag nun im Finale (16 Uhr, ARD und Eurosport live) gegen Norwegen. Frauenfußball ist wieder angesagt. Michael Schaffrath, Professor für Medien und Kommunikation an der TU München wundert das nicht. „Der Zusammenhang zwischen Frauen und Fußball ist für die Zuschauer längst kein Antagonismus mehr. Wir leben in einem Land und in einer Zeit, in dem eine Frau Bundeskanzler ist, wir Richterinnen am Bundesverfassungsgericht haben und Frauen Führungspositionen in Unternehmen bekleiden.” Daher sei auch „das Interesse an Fußball von Frauen nicht verwunderlich”, sagte er der AZ.
„Das ist eine Wahnsinns-Quote, darauf sind wir sehr stolz. Wir Freude uns über das große Interesse an unseren Spielen”, sagte Mittelfeldspielerin Saskia Bartusiak. Und natürlich ist das Interesse der Zuschauer nicht nur Ansporn, sondern auch Verpflichtung für mehr. Nachdem sich die runderneuerte und stark verjüngte Mannschaft zunächst eher durchs Turnier quälte, wollen sie nun, nach der stärksten Turnierleistung, natürlich mehr: „Wenn man im Finale ist, dann will man natürlich auch gewinnen”, sagte Neid, die gestern um 14.35 Uhr mit ihrem Team in die zwei reservierten Abteile des Schnellzugs „SJ-3000” von Göteborg nach Solna stieg. Im Stockholmer Vorort wollen die Frauen ihren Titel verteidigen und den sechsten EM-Triumph in Serie und den achten insgesamt feiern.
Nach dem starken Auftritt beim 1:0 gegen Gastgeber Schweden ist das Selbstvertrauen groß, der maue Kick war spätestens beim anschließenden gemütlichen Beisammensein mit DFB-Präsident Wolfgang Niersbach im Hotel vergessen. „Wir wissen, dass wir uns vor niemandem verstecken müssen. Mit dieser Einstellung müssen wir auch ins Finale gehen und selbstbewusst unser Spiel machen", sagte Matchwinnerin Dzsenifer Marozsan, der das Tor des Abends gelungen war. „Ich will nur, dass wir Vollgas geben. Es wird auch der Wille entscheiden.”
Sie und ihre Kolleginnen hoffen nun auf die EM-Rekordprämie in Höhe von 22.500 Euro. Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger und Co. hätten sich letztes Jahr bei der EM im Falle des Titelgewinns übrigens über 300000 Euro Prämie vom DFB Freude können (doch sie scheiterten im Halbfinale an Italien).
Trotz der Erfolge bei der EM – dauerhaft überflügeln werden die Frauen die Männer nicht in Sachen Zuschauerliebe. „Schon bei der WM 2011 in Deutschland hatten viele recht naiv auf einen Magneteffekt gehofft für die Frauen-Bundesliga. Diesen hat es aber nicht gegeben”, sagt Schaffrath. Und vermutet, dass sich daran auch nichts ändert: „Wir erleben eine Eventisierung der Gesellschaft: bei Großereignissen ist das Interesse sehr groß. Sobald die Ereignisse aber wieder seriell werden und der Ligabetrieb beginnt, gehen die Quoten wieder zurück.”