Die DFB-Emanzen
Achtung, jetzt komm ich: Bastian Schweinsteiger ist einer der neuen deutschen Welle im DFB-Team. Wie Philipp Lahm, Simon Rolfes und Thomas Hitzlsperger meldet er nun vor dem Auftakt zur WM-Qualifikation in Liechtenstein in Abwesenheit der verletzten Platzhirsche Michael Ballack und Torsten Frings Ansprüche auf eine Führungsrolle an.
Gerade einmal 69 Tage sind vergangen seit die DFB-Auswahl im EM-Finale von Wien gegen Spanien stand, das 0:1 verloren ging. Man führe sich noch einmal die Aufstellung der Nationalmannschaft vor Augen: Lehmann im Tor, die Viererabwehrkette mit Friedrich, Metzelder, Mertesacker und Lahm. Das Mittelfeld mit Frings, Ballack, Schweinsteiger, Hitzlsperger, dazu der Sturm Klose und Podolski. Eine profunde, erfahrene Elf, allesamt mit mindestens einer WM-Endrunde im Kreuz.
Spanien war gestern, heute ist Liechtenstein, die erste Station der WM-Qualifikation auf dem Weg zur Endrunde 2010 in Südafrika. Gerade einmal fünf Spieler, die das enttäuschende Finale in Wien bestritten hatten, stehen Samstag in der Startformation. Die Bayern-Stars Lahm, Schweinsteiger, Klose und Podolski, dazu Hitzlsperger. Und sonst? Spielt die neue deutsche Welle, eine neue Generation.
Darunter EM-Teilzeitkräfte wie Fritz und Rolfes sowie die EM-Bankdrücker Trochowski, Westermann und Torhüter Enke plus Tasci, der Neuling – das Sixpack hat zusammen gerade mal 52 Länderspiele. Gewöhnlich ein ganz normaler Vorgang. Alt-Stars treten zurück (Keeper Lehmann), andere sind verletzt (Kapitän Ballack, Frings, Mertesacker) oder nicht in Form (Metzelder). Doch in diesem Fall ist es mehr als eine Laune der Zeit und der Natur. Assistenz-Trainer Hansi Flick, ansonsten eher um diplomatische Vorsicht bemüht, meinte am Freitag vor der Abreise ungewohnt deutlich: „Die Zeiten haben sich geändert.“ Will sagen: Die Karten werden neu gemischt. Fröhlich drohte er: „Wir können auswählen.“ Ein deutliches Zeichen etwa an Routinier Christoph Metzelder, der – obwohl gesund – auf der Bank sitzen wird. Den Fehler, einen zugegeben verdienten WM-Helden von 2006 auch durch das nächste Turnier zu schleppen, will Bundestrainer Joachim Löw nicht noch einmal machen.
Kapitän Michael Ballack war in den Tagen von Oberhaching aus gutem Grund anwesend, galt es doch, die Differenzen zu Teilen der Mannschaft wiederherzustellen. Am Freitag aber reiste der Chelsea-Star zurück nach London. Torsten Frings fehlt wegen seines Nasenbeinbruchs komplett, Lehmann ist zurückgetreten. „Wenn zwei, drei Leute ausfallen, bildet sich eine neue Hierarchie“, sagte Miroslav Klose, mit 82 Länderspielen der Erfahrenste im Kader und daher Kapitän. Aber auch ihm ist eine schleichende Entwicklung, die schon am Rande des Tests gegen Belgien (2:0) zu spüren war, nicht entgangen: „Mit Schweinsteiger, Lahm und Hitzlsperger sind Leute da, die was zu sagen haben." Sie wollen nicht nur spielen, sie wollen bestimmen. Steht eine Wachablösung bevor?
Lahm ist im Mannschaftsrat und sagte in der „SZ“: „Ich bin mir sicher, dass mein Wort was zählt.“ Schweinsteiger ist in Abwesenheit von Ballack und Frings Mittelfeld-Chef und Vize-Kapitän. Es läuft eine – gar nicht so – heimliche Emanzipation, Löw findet das gut. „Ich weiß, dass mit Ballack und Frings noch zwei erfahrene Spieler da sind, die es zu verdrängen gilt“, sagte Hitzlsperger, und Rolfes meinte frech: „Für uns beide beginnt ein neuer Abschnitt mit neuen Zielen.“ Sie wollen Macht, die DFB-Emanzen.
Patrick Strasser