DFB-Team bei der EM: Effizienz statt Show
DANZIG Ein halber Tag, mehr ist nicht drin. Um 23 Uhr wird durchgezählt im Mannschaftshotel Dwor Oliwski, dann müssen alle wieder zurück sein. Das war vor zwei Jahren bei der WM in Südafrika ganz anders. Wegen der längeren Pausen zwischen den Spielen sah man die Nationalspieler in Shopping-Malls oder bei einem Besuch in einem Safari-Park. Ein ganzer freier Tag? Keine Chance seit der Ankunft am 4. Juni in Danzig, eine EM ist intensiver als eine WM, enger getaktet.
Doch die DFB-Profis können sich die Entspannung erarbeiten. Gewinnen Sie am Freitag (20.45 Uhr, ZDF live) ihr Viertelfinale gegen Griechenland, wäre vor dem Halbfinale am 28. Juni in Warschau sechs Tage Pause - und Muße für Zeit mit den Herzensdamen.
„Es geht ab Mittwoch in die Endphase dieser Woche mit zwei Einheiten Mittwoch und Donnerstag. Da wird die Spannung von alleine nach oben gehen", sagte Bundestrainer Joachim Löw. Denn eines kann er jetzt nicht gebrauchen: Spannungsabfall, Laissez faire – vor allem gegen den vermeintlich schwächsten aller bisherigen Gegner, die Griechen. Also wird – abgesehen von der Entscheidung, ob Jérome Boateng nach seiner Sperre wieder für Siegtorschütze Lars Bender in die Startelf rückt – nichts verändert, schon gar nicht die Spielphilosophie. Die drei Erfolge in den Gruppenspielen waren Siege mit Fersengeld. Blasen, Schweiß und Taktik.
Doch wo ist das Spektakel, der Glamour der EM-Qualifikation und der WM 2010 mit den berauschenden Siegen gegen England (4:1) und Argentinien (4:0) geblieben? Einerseits liegt das natürlich an der bisherigen zerstörerischen, nervenden Spielweise der Gegner, die bisher über Konter und Standards zum Erfolg kommen wollen. Die Krux: Eben weil die DFB-Elf in den letzten beiden Jahren so begeisternde Offensivfeste bot, man nehme das 3:2 gegen Brasilien oder das 3:0 gegen Holland im letzten Jahr, verschanzen sich nun die Gegner am eigenen Strafraum. Und zweitens: Das Motto von Löw für 2012 lautet: Effizienz statt Show. Alles eine Frage der Vernunft. Applaus garantiert keine Titel. Und wann will nicht wieder als Mannschaft der Herzen den Spaniern zum Titel gratulieren.
„Die Vorstellung und Philosophie, nach vorn zu spielen, bleibt unverändert", sagte Löw am Dienstag und erklärte: „Man kann nur nicht immer im Hurra-Stil nach vorne laufen. Das kann man vielleicht gegen Brasilien oder in einem Vorbereitungsspiel machen.”
Klar wird gegen Griechenland offensiv gespielt, aber: „Es spielt keiner mehr so einen riskant-offensiven Fußball", sagt Ex-Bayern-Kapitän Klaus Augenthaler der AZ, „das ist der Trend dieser EM. Auch die Elf von Jogi Löw nicht. Man muss vorsichtiger agieren, darf nicht blind vor laufen. Es wird immer schwieriger, einen Rückstand aufzuholen, weil jedes Team es schaffen kann, sich kompakt hinten rein zu stellen. Daher ist die Sorge vor einem Gegentor stets am größten."
Ex-Capitano Michael Ballack sieht die vorsichtigere Ausrichtung gar nicht negativ, im Gegenteil: „Die Mannschaft ist reifer geworden. Sie hat die Naivität von der WM 2010 abgelegt", so Ballack. So lange Löw, wie in der brenzligen Situation gegen Dänen seinen Glauben nicht verliert, kann kaum etwas passieren. „Ich habe eigentlich immer das Gefühl, wir machen noch ein Tor." Zur Not macht’s der Rechtsverteidiger.