DFB-Elf vor Hammer-Auftakt gegen Frankreich: Mythos Turniermannschaft

München - Der Kaiser hat gesprochen! "Ich bin nicht pessimistisch - im Gegenteil: Ich glaube, dass der Weg weit gehen kann. Sie treten als Mannschaft auf, als geschlossene Einheit. Das ist sehr wichtig." So positiv bewertetet Franz Beckenbauer beim RND vor dem Auftakt-Knaller gegen Weltmeister Frankreich die deutschen EM-Aussichten.
Neben der Équipe tricolore und Ungarn muss die DFB-Elf in der Vorrunde auch gegen Europameister Portugal antreten. Ein Hammer Auftakt-Programm. Aber: "Mir ist so eine starke Gruppe lieber, weil man nicht in Versuchung kommt, leichtsinnig zu werden. Du musst von der ersten Minute an konzentriert spielen", sagte Beckenbauer.
Beckenbauer überzeugt: Deutschland ist eine Turniermannschaft
Außerdem ist die bayerische Lichtgestalt überzeugt: "Deutschland war immer eine Turniermannschaft. Das wird auch diesmal so sein."
Turniermannschaft - ein Wort wie Donnerhall, bei dem die Konkurrenz über Jahrzehnte zusammenzuckte, wenn davon im Zusammenhang mit der deutschen Nationalelf gesprochen wurde.

Beckenbauers Beschwörung dieser deutschen Tugend ist deshalb als ein kaiserlicher Mutmacher für das Team von Bundestrainer Jogi Löw zu verstehen - schließlich war der heute 75-Jährige seinerzeit als Teamchef live dabei, als der international so gefürchtete Mythos in Italien geboren wurde.
Weltmeister von 1990 mit holpriger Vorbereitung
Seine Weltmeister von 1990 gelten bis heute als der Inbegriff eines Teams, das erst während der Endrunde so richtig ins Rollen kam.
In den Testspielen zuvor hatte es bei der deutschen Elf noch arg geholpert, mit zwei eher glücklichen 1:0-Siegen gegen die damals höchstens zweitklassigen Tschechen und Dänen waren die späteren WM-Helden um Kapitän Lothar Matthäus ins Turnier gegangen. Der Rest ist bekannt. Das 4:1 zum Auftakt gegen Jugoslawien bildete den Startschuss für ein berauschendes Turnier, das dann im Stadio Olimpico in Rom mit dem 1:0-Erfolg gegen Maradonas Argentinier und dem dritten Stern für Deutschland endete.
Dass 24 Jahre später bei der WM in Brasilien Rio-Kapitän Philipp Lahm & Co. ebenfalls mit einem Kantersieg zum Start (4:0 gegen Portugal) den Grundstein für den späteren Triumph legten, kann aus der beckenbauerschen Turniermannschafts-Logik kein Zufall sein.

Oder etwa doch?
Für Rudi Völler, unter dem Kaiser 1990 Weltmeister, hängt der Mythos von der deutschen Turniermannschaft weniger von einem erfolgreichen Auftakt, sondern viel mehr von der Stimmung innerhalb des Kaders ab, wie der ehemalige Nationalstürmer einmal in einem "11Freunde"-Interview erklärte: "Am Anfang an einem guten Tag auch mal gegen einen Favoriten zu gewinnen, ist eine Sache. Aber über ein gesamtes Turnier den Zusammenhalt und das gute Gefühl aufrecht zu erhalten, ist sehr schwierig. Und das ist seltsamerweise eine Stärke deutscher Mannschaften."
WM 2018: Stimmung bereits vor dem Turnierstart schlecht
Was Völlers These kurioserweise stützt: Das frühe Ausscheiden bei der WM 2018 in Russland. Warum? Ganz einfach: Dort war die Stimmung bereits vor dem Start mies. Das trostlose WM-Quartier Watutinki und die Debatte um die Nationalspieler Ilkay Gündogan und Mesut Özil, die sich mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan hatten fotografieren lassen, waren mitverantwortlich für die schlimmste Bruchlandung in der Geschichte des DFB. Der Mythos von der Turniermannschaft wurde in Russland mit dem Vorrunden-Aus zertrümmert.

Was das nun für diese EM bedeutet? Löws Abschiedsturnier ist gleichzeitig auch die große Chance, Deutschlands Ruf als Turniermannschaft wieder aufzupolieren. Wie stünde denn sonst der Kaiser da. . .