DFB-Elf: Viele Weltmeister stehen vor dem Rücktritt - Auch Jogi Löw?

Frankfurt - Es war eine Rückreise mit Kapriolen für die deutsche Nationalmannschaft – und damit das passende Ende dieser völlig frustrierenden Weltmeisterschaft in Russland. Nach Logistik-Problemen in Moskau landete der Sonderflieger LH 343 am Donnerstagnachmittag um 15.02 Uhr mit mehr als 90-minütiger Verspätung auf dem Frankfurter Flughafen.
Zuvor hatte es in der Luft Turbulenzen gegeben – und ein weiteres Ärgernis: Im vorderen Teil des DFB-Jets war die Toilette ausgefallen. Auch das noch.
Der tief enttäuschte Bundestrainer Joachim Löw umarmte jeden seiner Spieler, ehe sich die Wege trennten. Nach nur 16 Tagen in Russland. WM-Titelverteidigung? WM-Desaster! "Wir sind Mannschaftssportler und sind dafür zuständig, die Leistung auf dem Platz zu bringen, das haben wir nicht geschafft", sagte Kapitän Manuel Neuer. Immerhin: Bei der Analyse zeigten sich die gefallenen WM-Helden selbstkritisch. "Wir Spieler sehen uns in erster Linie in der Verantwortung", ergänzte Neuer. "Wir haben das selbst in der Hand gehabt."
Und mächtig vermasselt beim 0:2 gegen Südkorea. Nach Jahren des Erfolgs sind die Weltmeister wieder am Boden angekommen.
Wie es jetzt weitergeht? Ob Joachim Löw Bundestrainer bleibt? Unklar. "Gegen Ende der nächsten Woche werden wir zusammenkommen und dann weiterdiskutieren", sagte DFB-Teammanager Oliver Bierhoff über Löw: "Wir werden täglich in Kontakt sein."
Klar ist: Im Kader wird es mit Blick auf die EM 2020 Veränderungen geben. Philipp Lahm hatte nach dem WM-Triumph von Rio 2014 den perfekten Zeitpunkt erwischt, er ging als Weltmeister-Kapitän. Manuel Neuer (32) wird nun als Spielführer der Gescheiterten in die Fußball-Annalen eingehen – wobei: an ihm lag das Vorrunden-Aus nicht. Mit diesem blamablen WM-Ausscheiden im Kopf wird der Bayern-Torhüter sicher nicht aufhören wollen, zu lange hatte er sich nach seinen drei Fußbrüchen gequält, um rechtzeitig vor dem Turnier sein Comeback zu feiern.
Entscheidend wird für Neuer sein, wie sein Körper in den kommenden Jahren mitmacht. "Ich will so lange spielen, wie ich merke, dass ich gebraucht werde", meinte er vor dem Start in die WM, schränkte aber ein: "Wenn die Spieler mir das Feedback geben, dass ich nicht mehr gut genug bin, höre ich lieber auf." Was sich nun keiner aus der Nationalelf erlauben dürfte.
Das nächste Turnier hat Neuer im Blick ("Ich möchte ja noch Europameister werden"), die nächste WM in Katar eher nicht: "Ich weiß nicht, ob ich 2022 noch dabei sein werde." Neuer wird weitermachen – doch wie sieht es mit den anderen Weltmeistern von 2014 aus? Abgesehen von Julian Draxler und Matthias Ginter, die vor vier Jahren in Brasilien zu jung und daher lediglich Ergänzungsspieler waren.
Wer macht weiter, wer hört neben Mario Gomez, der schon vor der WM erklärt hat, seinen Karriere danach zu beenden, auf? Der AZ-Check.
Jérôme Boateng
29 Jahre/172 von 270 Minuten in Russland gespielt: Fehlte gegen Südkorea nach Gelb-Rot-Sperre, konnte zuvor nicht überzeugen. Falls er den FC Bayern diesen Sommer noch Richtung Premier League verlässt, könnte es sein, dass er sich voll auf die neue Herausforderung konzentrieren möchte und nach 73 Länderspielen Schluss macht. DFB-Adé zu 70 Prozent.
Mats Hummels
29/180: Hatte das 1:0 gegen Südkorea auf dem Kopf – vertan. Moserte und meckerte nach dem Mexiko-Spiel. Ein Mann klarer Worte, der beim einzigen Sieg gegen Schweden wegen Halswirbelbeschwerden fehlte. Der Bayern-Profi ("Das ist die größte Enttäuschung meiner Karriere") gilt als sehr ehrgeizig. Wird weitermachen. Zu 100 Prozent.
Sami Khedira
31/118: Konnte gegen Mexiko und Südkorea nie überzeugen, der Juventus-Profi scheint nicht mehr das Niveau und die Power für die Sechser-Rolle auf Weltniveau zu haben. Dürfte wohl den Weg für jüngere Kräfte wie Ilkay Gündogan, Julian Weigl und andere freimachen. Hört zu 90 Prozent auf.
Toni Kroos
28/270: Der DFB-Spielmacher mit dem einzig lichten Moment, dem 2:1-Freistoß gegen Schweden. Sollte und wollte einer der Stars des Turniers werden, bekam viel Gegenwind nach seiner Schelte, dass die Heimat die Mannschaft zu wenig unterstützt. Macht zu 60 Prozent weiter.
Thomas Müller
28/207: Diese WM war nicht seine WM. Tauchte ab, keine Torgefahr. Sein bester Auftritt war der zwischenzeitliche Laune-Aufheller auf einer Pressekonferenz in Sotschi. Man habe "die Quittung bekommen", sprach der Bayern-Profi. Wird weitermachen – jedoch sollte Löw oder dessen Nachfolger ihn nicht mehr auf dem rechten Flügel einsetzen. Weiter an Bord zu 99 Prozent.
Mesut Özil
29/180: Traf vor der WM den umstrittenen türkischen Staatspräsidenten Erdogan. Es hagelte Kritik, der Spielmacher von Arsenal London schwieg – auch innerhalb der Mannschaft vermisste man eine Stellungnahme. Gute Passquote, aber kein Punch. Beim besten Spiel gegen Schweden fehlt er, wurde geschont. Tritt zu 80 Prozent zurück. Dann hat er seine Ruhe.