DFB-Comebacker Müller und Hummels: War's das schon wieder?

London - Es könnte das Bild der EM aus deutscher Sicht werden: Thomas Müller auf den Knien, beide Hände vor Entsetzen und Enttäuschung am Kopf.
Müller und Hummels: Löw hatte sich lange geziert
Sekunden zuvor hatte er das wohl überraschendste Nicht-Tor seiner Karriere erzielt: Statt schnöde ins lange Eck schoss Mister Zuverlässig in Minute 81 einfach daneben. Wenig später war die EM für Fußball-Deutschland vorbei.
Dass dieser Thomas Müller wie auch Weltmeister-Kollege Mats Hummels überhaupt nochmal das DFB-Trikot tragen würde, war ja lange Zeit alles andere als ausgemacht. Monatelang hatte sich Bundestrainer Joachim Löw geziert und gewunden, bis er endlich den Chor der "Hol' sie zurück, Jogi!"-Jünger erhörte und zumindest zwei der drei einigermaßen spektakulär Ausgemusterten (Jérôme Boateng bekam keine Absolution mehr) wieder einmusterte.
Sieben Gegentore in vier Spielen: Deutsche Abwehr unsicher
Gretchen-Frage: Hat sich die Rückhol-Aktion gelohnt? Antwort von Radio Eriwan: im Prinzip jein. Klar hat Müller gegen England nun eine Hundertprozentige vergeben. Klar hat Mats Hummels gegen Frankreich ein vielkommentiertes Eigentor fabriziert.
Betrachtet man aber das große Bild hat das Duo der zuvor massiv verunsicherten Löw-Truppe schon so etwas wie Halt gegeben – aber nicht genug. Dazu waren die Defizite in allen Mannschaftsteilen zu groß. Vor allem die Abwehr agierte viel zu oft geradezu hanebüchen, was sich in sieben Gegentoren in vier Spielen niederschlug. Gegenbeispiel England: vier Spiele, null Gegentore.
Auch Müllers unorthodoxes Raumdeuter-Spiel zündete eher selten
Aber auch die Offensive hakte, bis auf das rauschige LiLaLaune-Spiel gegen Portugal. Anders als der FC Bayern verfügt die deutsche Nationalmannschaft seit Jahren über keinen Mittelstürmer mehr, behilft sich vielmehr mit diversen Not-Lösungen, in denen jedoch die durchaus vorhandenen Talente all der Gnabrys, Sanés und Werners keine Zuspitzung finden.
Insofern zündete auch Thomas Müllers unorthodoxes Raumdeuter-Spiel eher selten. Dass er in der "crunch time" des Achtelfinals diese Riesen-Chance versemmelte und seinen Torlos-Fluch bei Europameisterschaften fortsetzte, war dann schon fast bezeichnend.

Teamkapitän Manuel Neuer meinte: "Wenn Thomas das 1:1 macht, dann dreht sich hier vielleicht was." Bundestrainer Löw sprach den Fehlschützen dagegen von jeglicher Schuld frei: "Das muss man mal akzeptieren. Normalerweise macht er daraus ein Tor. Aber ich mache ihm da jetzt keinen Vorwurf."
Hummels Retter in der Not, aber kein Top-Organisator
Und Mats Hummels? Fabrizierte diesmal kein Eigentor, rettete in Halbzeit eins vielmehr in höchster Not vor dem einschussbereiten Harry Kane, versuchte in den Schlussminuten als Sturmtank noch ein Kopfballtor zu erzwingen, ließ es also an Willen nicht mangeln. Eine verlässliche Dreierkette zu formieren und zu dirigieren, gelang ihm jedoch auch nicht.
Kehren Müller und Hummels nun der DFB-Elf den Rücken?
Und wie geht's jetzt weiter mit den beiden Rückkehrern? Das nächste große Turnier, die WM in Katar, beginnt schon in eineinhalb Jahren. Hummels wäre da fast 34, Müller 33. ARD-Experte Bastian Schweinsteiger, meinte ungewohnt unverblümt: "Ich glaube, dass Thomas Müller und Mats Hummels heute ihr letztes Länderspiel gemacht haben."
Ob der kommende Bundestrainer Hansi Flick – ein ausgewiesener Müller-Fan – das wohl genauso sieht? Joachim Löw hatte jedenfalls nochmal auf Routine gesetzt - und die Zukunft in Form von Jamal Musiala erst in der 92. Minute eingewechselt - für Thomas Müller.