Deutschland gegen Schweden bei WM 2018: Patrik Andersson im Interview

Patrik Andersson spricht in der AZ über das Duell am Samstag und das Fehlen von Ibrahimovic bei der WM: "Schweden spielt wie eine Einheit."
von  Maximilian Koch
"Wir Schweden fürchten keinen einzigen deutschen Spieler", meint der ehemalige Bayern-Spieler Patrik Andersson (l.). Das gilt auch für Thomas Müller.
"Wir Schweden fürchten keinen einzigen deutschen Spieler", meint der ehemalige Bayern-Spieler Patrik Andersson (l.). Das gilt auch für Thomas Müller. © Federico Gambarini/Andreas L Eriksson/dpa/AZ

Sotschi - Patrick Andersson im WM-Gespräch: Der 46-Jährige wurde 1994 mit Schweden WM-Dritter. Er spielte von 1999 bis 2001 beim FC Bayern.

AZ: Herr Andersson, wie groß ist nach dem erfolgreichen WM-Auftakt die Zuversicht in Schweden, dass am Samstag auch ein Sieg gegen Deutschland gelingt – und der Weltmeister aus dem Turnier befördert wird?
PATRIK ANDERSSON: Ich habe vor dem Turnier gesagt, dass Deutschland der Topfavorit in der Gruppe ist. Aber von der Leistung und dem Ergebnis gegen Mexiko war ich überrascht. Für Samstag erwarte ich eine Trotzreaktion der deutschen Mannschaft. Wenn man die einzelnen Spieler durchgeht, hat Deutschland immer noch die höhere Qualität. Und die Spieler sind es aus den Topklubs gewöhnt, unter Druck zu stehen. Deutschland bleibt der Favorit für das Spiel – auch wenn die Stimmung bei den Schweden nach dem Erfolg gegen Südkorea natürlich gut ist.

Die schwedischen Spieler haben sich ja ziemlich selbstbewusst geäußert: Sie glauben fest daran, den Weltmeister zu besiegen.
Ein Sieg im ersten Spiel tut nicht weh, das ist klar. Die Schweden können jetzt entspannter in die nächste Partie gehen. Schon in der Qualifikation hat die Mannschaft gegen Frankreich und die Niederlande gezeigt, dass sie dagegenhalten kann. Und sie hat sich in den Playoffs gegen Italien durchgesetzt. Wir Schweden können gut verteidigen. Unser Problem war und ist es immer noch, Torchancen herauszuspielen. Gegen Südkorea hatten wir viele Chancen. Aber es ist schwer zu beurteilen, wie viel Qualität Südkorea wirklich hat.

In Deutschland wird über die schwache Vorstellung des Weltmeisters gerätselt. Eine Mutmaßung: Einige Stammspieler seien nach dem WM-Erfolg 2014 nicht mehr so motiviert.
Der Erfolg der Vergangenheit darf kein Grund sein, warum es jetzt nicht mehr läuft. Die Spieler der deutschen Mannschaft stehen fast alle bei großen Vereinen unter Vertrag, da spielst du nur, wenn du die Mentalität und die Qualität hast. Ich bin allerdings auch der Meinung, dass die deutsche Mannschaft nicht besser ist als das Weltmeister-Team von 2014.

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Warum glauben Sie das?
Wenn man den Kader durchgeht, sieht man, dass einige Spieler über ihrem Zenit sind. Thomas Müller zum Beispiel oder Mario Gomez. Vielleicht setzt Joachim Löw jetzt gegen Schweden auf jüngere Spieler. (Lesen Sie dazu: Problemlöser Müller? DFB-Kenner verneint entschieden)

Es wird erwartet, dass Marco Reus in die Startelf rückt.
Reus war immer stark, seine ganze Karriere über. Ich habe ihn damals schon bei Borussia Mönchengladbach verfolgt. Leider war er oft verletzt und wurde zurückgeworfen. Reus hat Spitzenqualitäten, die jeder Mannschaft helfen.

Fürchtet Schweden Reus?
Nein, ich glaube nicht, dass wir Schweden einen einzigen deutschen Spieler fürchten, auch nicht Reus. Wir kennen unsere Stärken, wir wissen, dass wir in der Defensive gut sind, dass wir gut attackieren können. Im Eins-gegen-eins oder bei Pässen in den Rücken der Abwehr haben wir ab und zu Probleme. Hoffen wir mal, dass Deutschland das nicht ausnutzt. Mit einem Unentschieden könnten wir auf jeden Fall gut leben.

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Die deutsche Mannschaft hat beim 0:1 gegen Mexiko große taktische Mängel offenbart. Wird Schweden ähnlich agieren und auf Konter setzen?
Schweden ist nicht so gut bei Ballbesitz. Deshalb zieht sich die Mannschaft oft zurück, lauert auf Konter. Das werden wir auch gegen Deutschland sehen. Schweden ist keine Pressing-Mannschaft, nur vereinzelt wird mal vorne draufgegangen. Gegen Südkorea hat das Team die großen Räume nicht ausgenutzt. Emil Forsberg etwa hat man lange Zeit gar nicht gesehen.

Ist der Leipziger Offensivstar Forsberg der Schlüsselspieler des schwedischen Teams?
Er hatte in der zweiten Halbzeit bessere Aktionen, ist auch mal zum Tor gezogen. In Schweden stand Forsberg stark in der Kritik nach dem Spiel. Vor der Partie hätte ich gesagt, dass er der Schlüsselspieler ist, weil er internationales Format hat. Aber ein anderer Spieler hat mich mehr überzeugt und überrascht: Viktor Claesson von FK Krasnodar. Er hat ein gutes Spiel im Mittelfeld gezeigt. Er kann auch Deutschland gefährlich werden.

Ist es für den Teamgeist vielleicht von Vorteil, dass Superstar Zlatan Ibrahimovic nicht bei der WM dabei ist?
Ich sage es mal anders: Früher haben die Mitspieler die Räume nicht genutzt, obwohl so ein starker Spieler wie Ibrahimovic auf dem Platz war, der viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat. Ob Schweden jetzt besser oder schlechter ist? Das kann ich nicht genau sagen. Aber eins ist sicher: Seit seinem Rücktritt spielt Schweden wie eine Einheit.

1994 gehörten Sie zum WM-Kader, als Schweden sensationell Dritter wurde beim Turnier in den USA. Ist ein solcher Erfolg wieder möglich?
Nein, realistisch ist das nicht. Ich denke, dass Schweden im Achtelfinale ausscheiden wird, wenn es gegen Brasilien gehen sollte. Aber wer weiß: Griechenland hat 2004 die EM gewonnen. Das war auch nicht realistisch.

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