Deutschland gegen Ghana: Heute geht's um alles oder nichts

Der Druck ist enorm: Noch nie seit dem zweiten Weltkrieg schied eine deutsche Mannschaft vorzeitig aus. Doch Bundestrainer Jogi Löw ist ganz entspannt – weil er schon mehr weiß?
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Wie wird die Miene von Joachim Löw wohl nach dem Ghana-Spiel sein? Freude oder Enttäuschung
dpa Wie wird die Miene von Joachim Löw wohl nach dem Ghana-Spiel sein? Freude oder Enttäuschung

Der Druck ist enorm: Noch nie seit dem zweiten Weltkrieg schied eine deutsche Mannschaft vorzeitig aus. Doch Bundestrainer Jogi Löw ist ganz entspannt – weil er schon mehr weiß?

Die Adresse lautet: 1, Nasrec Road, Johannesburg, Südafrika. Dort steht das größte WM-Stadion, etwas großspurig „Soccer City“ getauft. Hier entscheidet sich am Mittwoch die Zukunft des deutschen Fußballs. Hier findet das K.o.-Spiel der deutschen Nationalelf gegen Ghana statt, Anstoß 20.30 Uhr.

Soccer City, 1700m über Meereshöhe, gebaut auf rotem Sand. Inmitten zweier Kontraste: Unweit gelegen von Soweto, dem größten Township des Landes und dem „Messezentrum Nasrec“.

Das Stadion in Johannesburg hat Ähnlichkeit mit dem Fröttmaninger Reifen, der Allianz Arena, doch innendrin ist das Gefühl viel intensiver, man befindet sich in einem Dampfkessel aus Vuvuzela-Lärm, bunten Gesichtern und aufkriechendem Nachtfrost.

Hier gilt es für die DFB-Elf, den Umständen und dem Gegner aus Ghana zu trotzen, der womöglich als einzige Mannschaft Afrikas ins Achtelfinale einziehen würde. Bei einer Niederlage ist die Elf von Joachim Löw ausgeschieden, in der Vorrunde gescheitert.

Das Aus hätte in etwa eine Blamagen-Dimension als würde der FC Bayern schon in der Winterpause keine Chance mehr auf den Meistertitel haben. Ein Historienvergleich macht deutlich, was die Konsequenzen sein müssen, denn früher ist eine DFB-Elf bei einer WM nur 1938 gescheitert.

Insider wollen wissen, dass Bundestrainer Joachim Löw ähnlich wie Rudi Völler nach dem Vorrunden-Aus bei der EM 2004 in Portugal sofort zurücktreten würde und damit auch sein Trainerstab Hans Flick und Torwartcoach Andreas Köpke keine Zukunft mehr hätten. Die Verträge des Trios laufen ohnehin nach der WM aus. So lässt sich auch Löws bedingungsloses Versprechen, dass man weiterkommen werde, deuten. Derart offensiv spricht nur jemand, der entweder tatsächlich an den Finaleinzug glaubt oder für sich schon beschlossen hat, im Falle eines Ausscheidens seinen Dienst zu quittieren.

Löw lachte viel in seinem schwarzen Rollkragenpullover am Dienstagmittag auf der Fifa-Pressekonferenz im Stadium Loftus Versfeld in Pretoria. Wäre nicht die mächtige Fifa-Sponsorentafel hinter ihm gewesen, hätte man ob seiner Laune und Körpersprache glauben können, er spreche über ein Freundschaftsspiel gegen Malta. Dabei gilt es die größtmögliche Blamage des deutschen Fußballs bei einer WM zu verhindern.

„Der Jogi ist immer so, ganz bei sich, er verstellt sich nicht“, sagt sein Berater Roland Eitel, „Jogi ist zu hundert Prozent authentisch.“ Eitel sagt das so eindringlich, dass man ihm das abnimmt. Also nimmt man auch Löw seine Lockerheit ab. Es ist so: Der Mann freut sich drauf, das betonte er am Dienstag vor der Weltpresse noch einmal. „Diese Alles-Oder-Nichts-Spiele“, er wiederholte dies fünf Mal, „das mag ich. Wenn die Stimmung im Stadion brodelt und die ganze Nation auf ein Spiel schaut, bin ich unter besonderer Anspannung. Ich habe mehr Freude als Angst.“

Video: Das Schicksalsspiel

Seine Situation ist besser als die Ausgangsposition der deutschen Elf. Löw ist beliebt wie kaum ein Bundestrainer zuvor, nach dem 4:0 gegen Australien bettelte Präsident Theo Zwanziger den Trainer öffentlich an, er möge doch weitermachen nach der WM. Egal, was war. Löw ist es nicht egal, was war.

Die gescheiterte Vertragsverlängerung mit der merkwürdigen Bedenkzeit seitens des DFB-Präsidiums als 48-Stunden-Frist just über seinen 50. Geburtstag am 3. Februar hat Löw sehr verärgert. Es heißt, dass seine Exit-Strategie ohnehin steht und sich der DFB einen Nachfolger suchen muss. Entweder ab Donnerstag oder später.

Doch die Sache ist pikant. Zwanziger, der auf dem DFB-Bundestag im Oktober wiedergewählt werden möchte, kann sich eine Blamage wie 2004 nicht erlauben, als eine Bundestrainer-Findungskommission nach der überraschenden Absage von Ottmar Hitzfeld eingerichtet werden musste und sich die Öffentlichkeit darüber belustigte.

Hinter vorgehaltener Hand steht der Nachfolger ja auch schon fest: DFB-Sportdirektor Matthias Sammer (42), dessen Verhältnis zum Duo Löw/Bierhoff als zerrüttet gilt. Wird es Sammer, dürfte auch Bierhoff, ohnehin in vielen DFB-Kreisen umstritten, seinen Hut nehmen.

Als Sportdirektor hat er einen Vertrag bis 2013, er ist ein Vertrauter von DFB-Generalsekretär Wolfgang Niersbach (59), dem wiederum nachgesagt wird, den Posten von Oliver Bierhoff als Teammanager übernehmen zu wollen. Sammer, 2002 mit Dortmund der jüngste Meister-Trainer der Bundesliga-Geschichte, bleibt bei dieser WM im Hintergrund, also zu Hause. Er schaut sich stattdessen A- und B-Jugendspiele an, auch für den Bezahlsender „sky“ steht er nicht zur Verfügung. Nur kein falsches Wort über Löw, nur kein Futter für mögliche Interpretationen der Journalisten. Auf Nachfrage lässt er nur ausrichten, dass eine Anreise nach Südafrika geplant ist, mehr habe er nicht zu sagen.

Lehnt Sammer ab, kommen Hoffenheims Ralf Rangnick (51), der ein gutes Verhältnis zu Zwanziger hat, und Jürgen Klopp (43) in Frage, den Sammer selbst einmal ins Spiel gebracht hat. Nur um von sich selbst abzulenken?

Für Donnerstag, 18.55 Uhr, hat der DFB-Tross Plätze im Lufthansa-Flug von Johannesburg nach Frankfurt reserviert. Nur für den Fall der Fälle natürlich.

Patrick Strasser

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