Deutschland gegen die Türkei: Doppeltes Heimspiel

Deutsche und Türken feiern ein großes Fußballfest – nur Mesut Özil wird gnadenlos ausgepfiffen. Ministerpräsident Erdogan jedoch sagt: „Jeder Türke sollte in dem Land spielen, in dem er lebt“
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Gut gelaunte Prominenz auf der Ehrentribüne (v.l.): Bundespräsident Wulff, Ministerpräsident Erdogan und Kanzlerin Merkel.
dpa Gut gelaunte Prominenz auf der Ehrentribüne (v.l.): Bundespräsident Wulff, Ministerpräsident Erdogan und Kanzlerin Merkel.

Deutsche und Türken feiern ein großes Fußballfest – nur Mesut Özil wird gnadenlos ausgepfiffen. Recep Tayyip Erdogan jedoch sagt: „Jeder Türke sollte in dem Land spielen, in dem er lebt“

BERLIN Es wäre übertrieben, dass der Ausgang der Partie nebensächlich gewesen sei. 3:0 für die Gastgeber, doch die Stimmung am Freitag im Berliner Olympiastadion übertraf dennoch jedes DFB-Pokalfinale. Und dafür sorgten vor allem die türkischen Fans. In der Überzahl waren sie, lautstärker – und kreativer: So fanden sich schwarz-rot-goldene Flaggen mit Halbmond im Zentrum. So dichtete einer ebenso ungelenk wie plakativ: „Ob Pommes mit Ketchup, ob Döner mit Fleisch – alle Menschen sind gleich“.

Es wurde also tatsächlich eine Art Auswärtsspiel für die DFB-Elf. Beim Verlesen der deutschen Mannschaftsaufstellung waren die Namen kaum zu verstehen. Als Mesut Özil genannt wurde, war es mit der Toleranz vorbei. Sein Name wurde von einem Orkan aus Pfiffen übertönt. Dazu reckten Unverbesserliche ein Plakat mit der Aufschrift „Diese Fans könnten für dich jubeln, Özil!“ entgegen. Die Schmähungen begleiteten jeden Ballkontakt des Real-Stars mit dem Adler auf der Brust. Es blieb aber alles im Rahmen, sogar als er das 2:0 erzielte.

Oben auf der Ehrentribüne verteidigte unterdessen der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan – mit rot-weiß/schwarz-rot-golden geteiltem Fanschal neben Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel sitzend – Özils Entscheidung, für Deutschland zu spielen: „Ich verstehe ihn sehr gut. Jeder Türke sollte in dem Land spielen, in dem er lebt.“ Dann jedoch verkündete er voller Stolz: „Es ist ein Fußballfest für uns. Ich fühle mich nicht als Gast hier, ich fühle mich zu Hause.“ Kein Wunder, mussten Merkel und Bundespräsident Christian Wullf doch Buh-Rufe über sich ergehen lassen, während es für ihn stehende Ovationen gab.

Dafür sorgten seine Landsleute im Olympiastadion. Hätte Erdogan am Oranienplatz in Kreuzberg, dort wo 30 Prozent der Bevölkerung einen Migrationshintergrund haben, Fußball geschaut, er hätte vor den Leinwänden ein deutsch-türkisches Fest verfolgen können. Und die türkischen Fans, die in die Arena drängten, feierten teilweise schon Stunden vor Anpfiff am Olympiastadion – friedlich.

Gut, es waren 1200 Polizisten im Einsatz. Mit Spezialkontrollen sollte das Einschmuggeln des in türkischen Stadien extrem populären bengalischen Feuers verhindert werden – erfolglos. Das rote Licht loderte gleich in mehreren Blocks. Wohlgefühlt haben sich dennoch alle Zuschauer. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel. „Es herrscht eine tolle Atmosphäre, sehr schön“, sagte sie. Und dann wollte sie staatstragend klingen: „Der Sport kann Probleme lösen, nicht überall, aber die Nationalmannschaft kann es. Schön, dass auch jene mit Migrationshintergrund miteinander spielen.“ Und zum Glück auch jenen ohne Migrationshintergrund.

Egal, am Ende war’s irgendwie ein doppeltes Heimspiel. Vielleicht können die Türken besser feiern, aber besser Fußball spielen eben immer noch die Deutschen. Die mit den türkischen (Özil) oder polnischen (klose) Wurzeln. jos/ps

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