Der Rück-Kehrer: Warum Flick auf den Abwehrstar von PSG setzte

Reykjavík - Reykjavík, Edinburgh, Frankfurt, Paris. Die erzwungenermaßen umständliche und etwas nervige Flugroute (siehe Seite 17) dürfte Nationalspieler Thilo Kehrer am Donnerstag nur kurzfristig die Laune verhagelt haben.
Denn der 24-Jährige, seit 2018 in Diensten von Paris St.-Germain, gilt als der Gewinner der ersten drei erfolgreichen Länderspiele unter dem neuen Bundestrainer Hansi Flick.
Rück-Kehrer überzeugte drei Mal
Denn Kehrer, erstmals seit einem Jahr wieder für die deutsche Nationalelf nominiert, überzeugte drei Mal: Beim zähen 2:0 gegen Liechtenstein als Innenverteidiger und Vertreter des geschonten Abwehrchefs Antonio Rüdiger (FC Chelsea) sowie beim 6:0 gegen Armenien als Linksverteidiger anstelle des verletzten Robin Gosens. Beim 4:0 auf Island setzte Kehrer noch einen drauf: Erst sicherte er souverän die linke Abwehrseite ab - obwohl dies nicht die Sahne-Seite des Rechtsfußes ist und Flick in David Raum (TSG Hoffenheim) einen Linksfuß und Spezialisten zur Verfügung gehabt hätte.
"Thilo ist flexibel einsetzbar, topfit, sehr selbstbewusst"
Er wählte Kehrer - auch als Bayern-Profi Niklas Süle nach einer guten Stunde im regnerischen Reykjavík zur Schonung ausgewechselt wurde, sprang der Schwabe (geboren in der Unistadt Tübingen) ein. Flexibilität, Variabilität - das schätzt Flick ganz besonders. Was der 56-Jährige nicht gerne macht: ein Sonderlob verteilen. Am Nordatlantik machte er eine Ausnahme. Der Ausnahmefall: Abwehr-Allrounder Kehrer. "Ich kann auch mal einen herausheben", sagte Flick über den (Rück-)Kehrer: "Thilo ist flexibel einsetzbar, topfit, sehr selbstbewusst."
Vor der Nominierung informierte sich Flick telefonisch bei Kehrers Vereinstrainer Mauricio Pochettino, der nur Gutes über den U21-Europameister von 2017 berichten konnte. "In den vergangenen Wochen machte er große Fortschritte in puncto Stellungsspiel und Durchsetzungsvermögen. Außerdem wirkt er befreiter und souveräner", lobte Pochettino.
Nach einer enttäuschenden Saison in Paris mit wenigen Einsätzen und vielen Blessuren hatte er mit der Nicht-Nominierung für die EM gerechnet. Ein Rückschlag war es dennoch nach den neun Länderspielen unter Joachim Löw, der ihn beim Test gegen Peru (2:1) im September 2018 debütieren ließ. Gerüchte um einen Abgang aus Paris zurück in die Bundesliga zum FC Bayern oder Bayer Leverkusen erhärteten sich nicht. "Zu mir sind keine Angebote durchgedrungen", sagte Kehrer, dessen Vertrag bis 2023 läuft. Im ungewollt langen Sommer-Urlaub arbeitete er an seinem Körper, um topfit in die Saison zu gehen.
Bei PSG bisher keine einzige Pflichtspielminute verpasst
Was sich nun auszahlt. Im Starensemble von PSG wurde er diese Saison in jeder Partie von Beginn an eingesetzt, hat keine einzige Pflichtspiel-Minute verpasst (vier Spiele in der französischen Ligue 1 und im Supercup). PSG-Sportdirektor Leonardo ist happy, dass sich auch investiertes "Kleingeld" wie die 37 Millionen Ablöse für den Innenverteidiger lohnen. Ab Freitag kann Kehrer auf dem PSG-Gelände wieder mit der Stürmer-Crème de la Crème trainieren, mit Neuzugang Lionel Messi oder dem nicht zu Real Madrid abgewanderten Kylian Mbappé. Das härtet ab - und macht stark.