Der Meistermacher

Der Thriller von 2001: Premiere-Reporter Rolf Fuhrmann ließ Schalke zu früh feiern - am Ende feierten doch noch die Bayern
Herr Fuhrmann, die erste Frage muss sein: Wo sind Sie am Samstag? In welchem Stadion?
ROLF FUHRMANN: In Wolfsburg beim Spiel gegen Bremen.
Aha! Also wird Bayern Meister. Oder der VfB.
Es ist ja nicht so, dass ich nur für Vier-Minuten-Meisterschaften wie damals 2001 mit den Schalkern zuständig bin. Da hatte ich vorschnell über den Sender verkündet, dass die Partie der Bayern in Hamburg beim Stand von 1:0 für den HSV beendet sei. Im übrigen: Ich kann auch dafür sorgen, dass Vereine wirklich Meister werden (lacht).
Wirklich?
Also, Entschuldigung, ich war letztes Jahr in Wolfsburg, als der FC Bayern durch das 0:0 Meister wurde, ein paar Jahre zuvor auch, als sie dort 2:0 gewannen. Und es kommt noch besser: Als ich im Mai 2000 vor dem letzten Spieltag ins Olympiastadion gefahren bin, dachte ich: Oh, schön, das wird ein lauer, sonniger Nachmittag – und dann verlor Leverkusen in Unterhaching. Plötzlich war ich mittendrin in der Bayern-Party.
So wie nächsten Samstag?
Nein. Ich glaube, die Wolfsburger lassen sich das nicht mehr nehmen. Ich habe das Uefa-Pokal-Finale der Bremer gegen Donezk gesehen und war erschrocken über die Leistung von Werder.
Also interviewen Sie am Samstag lauter Meister.
Diesmal wirklich. Aber ich werde mich absichern und über jeden Zwischenstand genauestens informieren.
Schildern Sie doch nochmal jene Minuten des 19. Mai 2001 im alten Gelsenkirchener Parkstadion.
Es war ein riesiges Tohuwabohu im Stadion. Die Schalker haben 5:3 gegen Unterhaching gewonnen und dann frühzeitig das Feuerwerk gezündet und die Stadiontore geöffnet, noch ehe die Partie beim HSV zu Ende war. Da mussten alle denken, Schalke ist Meister. Erst später habe ich erfahren, dass die das Feuerwerk gemacht haben, weil es das letzte Spiel im Parkstadion gewesen war.
Und wie kam es zur fatalen Fehlinformation?
Alle sagten und dachten: Bayern hat 0:1 verloren, Ende. Es kam alles zusammen: Der Rasen war geflutet, Tausende feierten. Ich hatte keinen Monitor mehr, auf dem unsere Konferenz lief, auch keine Infos aus dem Ü-Wagen. Eine klassische Fehlerkette. Als das Feuerwerk gezündet wurde, sagte ich zu Schalkes Teammanager Andreas Müller: „Es ist zu Ende in Hamburg. Schalke ist Meister.“ Dann lief das Bayern-Spiel plötzlich über die Videoleinwand. Ich dachte, das sind schon die Höhepunkte. Bis einer schrie: ,Das ist ja live!’ Das tut mir immer noch leid. Aber ohne diese Geschichte wäre es wohl nicht das irrste Finale der Bundesliga-Geschichte geworden.
Wie begegnen Ihnen seit damals die Schalker? Mit Groll?
Nein, mit Flachs. Sie rufen mich ,Meistermacher’. Ich antworte dann im Spaß: ,Genießt nochmal im Rückblick die vier Minuten, ihr werdet’s ja eh nicht mehr.’ Böse Worte gab es keine mehr. Ex-Manager Rudi Assauer sagte kurz danach, Premiere sei schuld gewesen, aber das ist ausgestanden. Die Schalker waren auch mitschuldig, die hatten ja auch Videotext oder Decoder.
Dennoch: Sie gehören zu einem der Hauptdarsteller in einem der größten Dramen der Bundesliga-Geschichte.
Ich frage mich oft: Mensch, warum hast du nicht nachgefragt und dich nicht abgesichert – als Lehrer hätte ich auf Nummer sicher gehen müssen. Aber es ist eben in der allgemeinen Hektik passiert – wird es aber nicht mehr.
Sie waren Lehrer?
Ich habe zwei Staatsexamen in Deutsch und Geographie, kam erst mit 42 Jahren zum Fernsehen, war vorher ein paar Jahre bei Radio Hamburg – und nebenbei DJ. Als ich für Premiere mein erstes Live-Interview mit Ottmar Hitzfeld in Dortmund geführt habe, war ich vorher sieben Mal auf Toilette. Das war vielleicht schlimm.
Interview: Patrick Strasser