Der letzte Zeuge: Schmidt sagt erneut aus
Erst wollte er nicht noch einmal aussagen, jetzt tut er's doch: Der frühere DFB-Generalsekretär Horst R. Schmidt könnte bei der Aufklärung der WM-Affäre 2006 zu einer entscheidenden Figur werden.
München - Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) erhofft sich von einer neuerlichen Befragung seines früheren Generalsekretärs Horst R. Schmidt offenbar einen entscheidenden Beitrag zur Aufklärung der Affäre um die Vergabe der Weltmeisterschaft 2006.
Nach Informationen von "Süddeutsche Zeitung", NDR und WDR hat der designierte DFB-Präsident Reinhard Grindel den 74-Jährigen in mehreren Telefonaten dazu bewegt, erneut bei der Kanzlei Freshfields auszusagen. Freshfields ist vom DFB mit internen Ermittlungen beauftragt und soll am 4. März einen Abschlussbericht vorlegen.
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Schmidt soll bereits Ende Oktober von Freshfields vernommen worden sein und zunächst abgelehnt haben, nochmals Auskunft zu geben. Stattdessen habe er schriftlich auf einen ihm vorgelegten Fragebogen geantwortet. Nun aber habe sich Schmidt - einer der Vizepräsidenten im von Franz Beckenbauer geleiteten Organisationskomitee (OK) der WM - zu einer weiteren Befragung bereit erklärt.
Freshfields will demnach unter anderem noch mehrere Vorgänge aufklären, bei denen die Spuren nach Afrika und Asien führen. Drei Jahre vor der WM 2006 soll der Weltverband FIFA vom deutschen OK plötzlich 40 Millionen Euro gefordert haben für Hotels, Tickets, die Informations-Technologie für die WM und eine "Solidaritätsabgabe" für Afrika.
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Am Ende zahlte das OK Unterlagen zufolge, die Freshfields fand, 20 Millionen Euro. Als Freshfields im November den damaligen DFB-Präsidenten Wolfgang Niersbach kurz vor dessen Rücktritt dazu befragte, soll dieser erklärt haben, die 20 Millionen könnten "von der FIFA nach Afrika geleitet worden sein".
Freshfields hatte Niersbach dazu das Protokoll eines Treffens der FIFA mit dem deutschen OK vorgelegt. Die Niederschrift datiert vom 24. Juni 2006. Nach Ansicht von Freshfields muss das Dokument aber aus den Jahren 2002 oder 2003 stammen. Das ergebe sich aus "unterschiedlichen Stellen im Text".
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Freshfields geht auch einer Spur nach Katar nach. Mit dem dortigen Fußballverband hatte der DFB in einem "Letter of Intent" eine Art Entwicklungshilfeabkommen geschlossen, das unter anderem den Punkt Trainerausbildung beinhaltete.
Umgekehrt soll Katar die Deutschen bei deren Bewerbung für die WM 2006 unterstützt haben. Dies ist keine Korruption, solange kein Geld fließt. Freshfields soll gleichwohl untersuchen wollen, ob der DFB vor dem Zuschlag für die WM 2006 noch weitere Unterstützungsabkommen mit anderen Verbänden aus Asien vereinbart hat.
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Auf die vier asiatischen Vertreter in der FIFA-Exekutive soll der DFB von Anfang an gesetzt haben, um zusammen mit den acht europäischen Stimmen die WM nach Deutschland zu holen. Freshfields nimmt nach diversen Zeugen-Vernehmungen und der Sichtung zahlreicher Unterlagen offenbar an, dass der DFB drei Stimmen aus Asien sicher hatte, aber um die vierte Stimme von dort kämpfen musste. Das soll die von Chung Mong-Joon aus Südkorea gewesen sein.
Er ist wegen fragwürdiger Vorgänge im Zusammenhang mit der gescheiterten Bewerbung von Südkorea für die WM 2022 von der FIFA-Ethikkommission für sechs Jahre gesperrt worden. Freshfields möchte herausfinden, welche Vorsorge das Bewerberkomitee für den Fall getroffen hatte, dass der Südkoreaner möglicherweise nicht für Deutschland stimmen wolle.
Außerdem soll geklärt werden, ob ein früher einflussreicher Fußball-Funktionär aus Asien beim Erwerb von TV-Rechten für die Europameisterschaft 2004 von den Deutschen unterstützt worden sei.