Der Käpt’n lahmt: Warten auf Lahm und Neuer
St. Martin - Und plötzlich denkt man doch an Michael Ballack. Ans Foul aus dem FA-Cup-Finale 2010, den Tritt von Kevin-Prince Boateng, damals FC Portsmouth, der dem WM-Traum des deutschen Kapitäns, damals in Diensten des FC Chelsea, ein abruptes Ende setzte. Man sieht Ballack auf Krücken aus Müller-Wohlfahrts Praxis humpeln, denkt an die Leere in seinem Gesicht und an das Führungsvakuum im DFB-Team, dass nur wenige Wochen vor der WM in Südafrika eiligst gefüllt werden musste. Philipp Lahm trat hervor und führte Deutschland bekanntlich zu Platz drei.
Nun also Lahm. Auch bei ihm war’s ein Pokalfinale, am Samstag gegen Dortmund. Ein Foul von Nuri Sahin, das ihm den Fuß verbog. Auch er kam am Montag aus der Müller-Wohlfahrt-Praxis, zwar nicht auf Krücken, aber besorgt. Und gestern, als der DFB-Tross zum Trainingslagerstart im Südtiroler Passeiertal aufschlug, war der Kapitän nicht an Bord. Kein Syndesmosebandriss wie bei Ballack zwar, aber eben auch nicht nur ein Bluterguss, wie es am Montag noch hieß, zwingt Lahm zu weiteren Ruhetagen.
„Ich werde zwei Tage später ins Trainingslager einsteigen, da das MRT ergeben hat, dass ich einen Kapselriss habe“, ließ Lahm die berunruhigte Fußballnation via Facebook wissen. „Diese Woche werde ich deshalb pausieren und mit meiner Familie verbringen, um mich dann ab Freitag mit der Mannschaft auf die Mission Brasilien vorzubereiten.“
Lahm lahmt. Und auch bei Manuel Neuer sieht es alles andere als gut aus. Joachim Löws frommer Wunsch, mit allen 27 potentiellen WM-Fahrern in Südtirol eine perfekte Turniervorbereitung abzureißen („Wir wollten unbedingt alle zusammen starten, nachdem die Spieler in den letzten Jahren immer in zwei oder drei Gruppen eingetroffen sind“), erfüllte sich nicht. Denn nur 23 Mann kamen tatsächlich an: Neben Lahm fehlte auch Keeper Neuer mit seiner Kapselverletzung in der Schulter, bei dem nun plötzlich – auch das ist neu – völlig ungewiss ist, wann oder ob er überhaupt nach Südtirol reisen kann. Bei dem 27-Jährigen werde nun „auf Tagesbasis“ entschieden, ob es Sinn macht, nachzureisen. „Aber auch da ist vorgesehen, dass er noch ins Trainingslager kommen wird“, versuchte Nationalteam-Sprecher Jens Grittner gestern auf einer Pressekonferenz zu beruhigen.
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Weitere Absenzen: Per Mertesacker, der nach Geburt seines Kindes am Donnerstag erwartet wird. Und – das war so geplant – Sami Khedira, der erst nach Real Madrids Champions-League-Finale am Montag in Südtirol eintreffen soll. Der Start ins WM-Unternehmen ist also schon mal missglückt. Fragezeichen stehen schließlich auch hinter der Fitness des erst jüngst genesenen Miroslav Klose, Bastian Schweinsteigers Patellasehne muss auch erstmal wieder Trainingsbelastung ausgesetzt werden.
Löw wird in Südtirol an Plan B und C feilen müssen, sich für alle Eventualitäten rüsten müssen. Sein Fokus liege deshalb klar auf „Flexibilität und Variabilität“, wie er zum Auftakt sagte: „Man braucht immer auch eine Wenn-Dann-Strategie während der Spiele. Außerdem müssen wir uns bis zum Turnierstart beim Umschalten nach Ballgewinn verbessern. Das haben wir in den letzten beiden Jahren nicht mehr so konsequent gemacht wie bei der WM in Südafrika und unmittelbar danach.“ Ja, Südafrika.
Da kriegte Löw in der Vorbereitung die Kurve, schickte ein superfittes Team ins Turnier. Ohne Ballack.