"Deiner, Panenka!"

Der Erfinder des Lupfens beim Elfmeter freut sich über seine Nachahmer Pirlo und Sergio Ramos.
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AZ: Herr Panenka, Gratulation, Sie sind zwar schon seit fast 30 Jahren nicht mehr aktiv, aber über kaum einen Fußballer wird bei dieser EM mehr geredet als über Sie!
ANTONIN PANENKA: (lacht) Danke! Da muss ich mich wohl bei Italiens Andrea Pirlo bedanken.

Und auch bei Spaniens Sergio Ramos...

Stimmt, auch der hat den Strafstoß beim Elfmeterschießen gegen Portugal ein bisschen so geschossen, wobei Pirlo noch abgezockter war.

Es geht natürlich um Ihre Art, Elfmeter zu schießen. Den Ball einfach mit minimaler Geschwindigkeit fast mitten ins Tor zu lupfen, während der der Torhüter hilflos in eine Ecke segelt.

Ich habe mir das Elfmeterschießen zwischen England und Italien in einer kleinen Kneipe gleich uns Eck angeschaut. Da waren vielleicht 30 Leute da. Als dann Pirlo angetreten ist, sprangen alle auf, lachten und zeigten auf mich. „Das war deiner, das war deiner, Panenka”, jubelten sie. Das war sehr lustig.

Ein Schuss für Künstler, nicht für Rumpelfüßler.

Ja, das muss man schon richtig üben, als Eisenfuß wird das nichts. Und das schwierigste ist, beim Anlauf so zu tun, als würde man draufhauen. Man muss für diesen Elfmeter schon ein bisschen listig sein.

So wie Sie beim legendären Elfmeterschießen im EM-Finale 1976, als Sie Sepp Maier mit dem „Panenka” verluden und Tschechien zum Europameister machten.

Uli Hoeneß hatte ja zuvor für Deutschland mit aller Kraft geschossen – und drüber. Ich setzte das genaue Gegenteil entgegen. Das Ganze war aber auch nicht aus einer Laune heraus geboren. Ich hatte das ja schon jahrelang geübt. Da es damals aber noch keine Handyvideos, kein Youtube gab, hatte das noch keiner gesehen. Bei Bohemians Prag hatten wir ja auch immer Elfmeterschießen geübt. Da haben wir auch immer um Schokolade oder Bier gewettet. Das waren damals teilweise fast Luxusgüter in der Tschechoslowakei. Da wollte keiner verlieren. Und der Elfer mit dem ich am meisten Erfolg hatte, war eben dieser Lupfer. Es war also nicht, um den Gegner lächerlich zu machen...

Sepp Maier war Ihnen lange böse, weil er sagte: Sie hätten ihn wie einen Clown aussehen lassen!

Das war es nicht, es war einfach die Art zu schießen, bei der ich mir am meisten Erfolg ausrechnete. Fast jeder Torhüter entscheidet sich doch für eine Ecke und springt dorthin. Die Mitte ist dann meist offen. Und schauen Sie sich doch die Torleute heutzutage an. Ein Neuer, ein Casillas, ein Buffon. Das sind alles Riesen, die den Kasten, wenn sie sich ausbreiten, fast ausfüllen. Ich denke, dass es heutzutage fast noch cleverer ist, den Elfmeter so zu schießen als früher. Und wir Tschechen sind auch ein cleveres Volk, also haben wir uns das einfallen lassen.

Das erinnert schon fast an die legendäre Figur des braven Soldaten Schweijk aus dem weltberühmten Schelmenroman von Jaroslav Hašek. Schweijk musste sich mit List, Improvisationskunst, Blenderei und Cleverness durchs Leben schlagen.

In jedem von uns Tschechen steckt irgendwie ein bisschen was von dieser Figur. Er ist Spiegelbild unserer Volksseele. Der Soldat Schweijk, ja, irgendwie hat damals der Soldat Schweijk in mir geschossen. Genauso war es bei Pirlo und Ramos.

Aber auch Ihre Erfolgsquote liegt nicht bei 100 Prozent...

Aber nahe dran, ich habe nur einen Elfmeter in meiner Karriere nicht verwandelt. Das war aber mehr dem Wetter geschuldet!

Das müssen Sie erklären!

Naja, es war ein übles Wetter, der ganze Torraum war eine einzige Schlammpfütze. Der Keeper wollte sich einfach nicht dreckig machen, also blieb er stehen...

Und Sie schossen sozusagen dem verdutzten Torwart direkt in die Arme.

Sozusagen, ja.

Elferschießen ist Nervensache. Warum versagen so viele Spieler beim Elfmeterschießen? Bastian Schweinsteiger meinte etwa, dass er beim Weg zum Elfmeterpunkt beim Elferschießen gegen Madrid, seine Eier verloren hätte – sie aber noch rechtzeitig wiedergefunden hat.

(lacht) Gut für ihn! Ich habe das immer anders gesehen, ich habe das genossen. Ich habe immer Fußball als etwas verstanden, was man nicht nur für sich betreibt, sondern die Zuschauer. Daher habe ich es genossen, wenn es diese Momente für die Fans gab. Aber da ist jeder anders gestrickt.

Hätten Sie im Finale mit dem Löffler-Schuss nicht getroffen und Tschechien hätte nicht den Titel geholt...

Dann wäre ich der Depp gewesen, dann hätte ich wohl den Rest meines Lebens Fabrikarbeiter sein müssen. Musste ich aber nicht, dafür muss ich jetzt immer über Elfmeter reden. Es gibt schlimmere Schicksale!

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