Das Spiel um Jogi
In Moskau geht es nicht nur um die WM-Quali, sondern auch um Joachim Löws Job als Bundestrainer.
MAINZ Weite, schlabbrige Trainingsanzughosen, die über die Fußballschuhe bis zum Boden reichen. Einfarbig, im dunklen Blau. Kein Schnickschnack. Pur eben. Man musste schon zweimal hinsehen auf dem Kunstrasenplatz in Mainz – und ja, es war tatsächlich Jogi Löw, der Bundestrainer, der in dieser 70er-Jahre-Klamotte steckte, kein Held der Vergangenheit.
Es ist so seine Art, während einer Trainingseinheit, wenn er in Gedanken über Aufstellung und System versunken ist, ein wenig mit dem Spielgerät zu jonglieren. Dann lässt Löw die Kugel wie einen Basketballspieler auf dem Zeigefinger tanzen.
Dann ist er „fokussiert“, wie der Bundestrainer so gerne selbst sagt. Högschde Konzentration auf Russland, auf das entscheidende WM-Qualifikationsspiel der Nationalelf am Samstag (17 Uhr, ZDF live) in Moskau. „So ein Finale ist einfach ein Highlight", sagte er, „jeder schaut drauf. Das ist die Situation, die man haben möchte, als Spieler und auch als Trainer.“ Hopp oder top! Bei einer Niederlage droht die nervenaufreibende, unkalkulierbare Relegation mit zwei Spielen im November. Bei einem Sieg ist das Ticket für die Weltmeisterschaft in Südafrika 2010 gesichert.
Auch für Löw steht ein Entweder-oder-Match an. Sieg, WM-Qualifikation, Vertragsverlängerung bis 2012. Oder aber: Pleite, Relegation, Ausscheiden - und sofortiger Abschied als Bundestrainer. Die Partie in Moskau ist das Spiel um Jogi.
Auch wenn DFB-Präsident Theo Zwanziger das nicht so sieht. Er hat Löw eine Job-Garantie selbst für den worst case in Aussicht gestellt. „Wir gehen seit 2004 einen erfolgreichen Weg mit ihm, und ich weiß, dass man strategische Ausrichtungen nicht nach einem einmaligen Misserfolg verändern sollte“, sagte Zwanziger nun in „Sport-Bild" und betonte: „Ich wüsste keinen Besseren als ihn.“ Doch auch Zwanziger dürfte klar sein, was es bedeuten würde, sollte Löw der erste Bundestrainer der DFB-Historie sein, der die Teilnahme an einer WM verpasst. Der 49-Jährige hatte Gespräche über seine Zukunft während der laufenden WM-Qualifikation abgelehnt und angedeutet, wie schwierig es wäre, bei einem Scheitern weiterzumachen.
Das Spiel in Moskau ist nicht Löws erstes Finale, aber wohl das mit der größtmöglichen Brisanz und Herausforderung. Nach dem 1:2 gegen Kroatien hätte eine Pleite im abschließenden EM-Gruppenspiel gegen Österreich das Aus bedeutet. Auch damals ging es um Sein oder Nicht-Sein für Löw. Kapitän Michael Ballack erlöste den Bundestrainer mit seinem Freistoß zum 1:0.
Über den Umweg Relegation, der auch in der Sackgasse enden könnte, zerbricht man sich beim DFB nicht den Kopf. „Wir beschäftigen uns nicht konkret mit dem Thema und werden auch nicht die Angst vor einem Scheitern ansprechen", sagte DFB-Teammanager Oliver Bierhoff, „jeder weiß, was auf dem Spiel steht." Die WM-Qualifikation – und eben auch Löws Job.
Der Bundestrainer hat einen konkreten Plan. „Von der Abwehr bis in die Spitze: Högschde Disziplin! Und wenn der Gegner dazwischen fährt, flexibel sein, neu ordnen! Alle sofort wieder in die Ausgangsposition.“ Das Zitat stammt aus keiner Teambesprechung, sondern ist ein Auszug aus einem der Werbespots für „Nivea for men“. Dort gibt Löw den Beauty-Coach. Er weiß, „was Mann will“, heißt es. Gut aussehen muss seine Mannschaft in Moskau, gepflegten Fußball bieten. Geht die Sache schief, kann Löw sich trösten. Bei „Nivea“ ist er noch bis Dezember 2011 unter Vertrag. Ein bisschen Schnickschnack braucht der Mann eben doch.
Patrick Strasser