Das sind Kießlings prominente Vorgänger
Düsseldorf - Mit seinem endgültigen Aus in der Fußball-Nationalmannschaft hat sich Stefan Kießling offenbar schon abgefunden. Sollte den 29-Jährige noch einmal die Schwermut ereilen, könnte er sich die Telefonnummern von Roland Wohlfarth besorgen. Er hat mit Kießling eines gemeinsam: Beide wurden mindestens einmal Torschützenkönig der Fußball-Bundesliga, in der Nationalmannschaft dennoch relativ konsequent ignoriert.
Wohlfahrt, der sich bei den Bayern immer durchsetzte, behauptet: "Hätte ich damals mehr auf die Trommel gehauen und ab zu mal einen Spruch losgelassen, wäre das wahrscheinlich anders gewesen. Aber es war einfach nicht mein Ding, mich in die Mannschaft zu reden."
Besonders extrem waren auch die Fälle von Fritz Walter (dem jüngeren) und dem Oberhausener Lothar Kobluhn. Sie trugen nicht eine Sekunde das Nationaltrikot. Max, der sogar zweimal die Torjägerkanone erhielt, kam auf einen einzigen Einsatz über acht Minuten. Insgesamt ist Kießling schon der neunte Torschützenkönig, der nur auf eine einstellige Anzahl von Länderspielen kommt. Die Gründe bei seinen Vorgängern waren vielfältig. In den 90er Jahren blockierten die in Italien spielenden früheren Liga-Könige Jürgen Klinsmann und Rudi Völler die Plätze, seit den 2000er Jahren war Miroslav Klose gesetzt. Konkurrenz hatte er kaum noch, von den letzten 16 Torschützenkönigen seit 2001 waren 12 Ausländer. Die Serie durchbrachen neben Klose (aktuell 130 Länderspiele) und dem 59-maligen Nationalspieler Mario Gomez nur Max und Kießling. Umso höher müsste deren Erfolg bewertet werden.
Dass das Gütesiegel Torschützenkönig nicht gleichbedeutend mit einer großen Karriere in der Nationalmannschaft ist, mussten schon der dem Alkohol zuneigte Rudi Brunnenmeier (1965) und Lothar Emmerich (66+67) erfahren. "Emma" schaffte mit seiner "linken Klebe" vor der WM 1966 den Sprung ins Team, schoss bei der Endrunde in England gegen Spanien eines der berühmtesten DFB-Tore, war dann im Wembley-Finale aber ein Totalausfall, durfte aufgrund der damaligen Regeln nicht ausgewechselt werden, und wurde von Bundestrainer Helmut Schön nie wieder berücksichtigt. In den 70er und 80er-Jahren wurden die Schützenkönige auch die Knipser der Nationalelf. Ausnahme: Der Oberhausener Kobluhn – auf den Gerd Müller heute noch sauer ist, weil er 1971 seine Serie unterbrach. Der war allerdings defensiver Mittelfeldspieler und sein Klub in den Bundesliga-Skandal verwickelt. Die Torjägerkanone erhielt Kobluhn deshalb erst 2007.
Dieter Müller (77+78), für den es kein Vorbeikommen an Namensvetter Gerd gab, und Uwe Rahn (1987) schafften ebenfalls nicht den Durchbruch, aber zumindest eine zweistellige Anzahl an Länderspielen. Dass Thomas Allofs und Wohlfarth, die 1989 gemeinsam die Krone holten, nur auf zwei Einsätze kamen, schreiben sie sich vor allem selbst zu. Sein Bruder Klaus (2xSchützenkönig, 56 Länderspiele) sei "schon der bessere Fußballer gewesen", sagt Thomas Allofs: "Außerdem hatte ich gute Konkurrent und viel Pech mit Verletzungen. Letztlich hab ich zweimal in der A-Nationalmannschaft gespielt und bin zufrieden damit."
Das war auch das Problem der abseits des Spielfeldes so schüchternen Stürmer "Fritzle" Walter und Max. Letzterer antwortete am Ende seiner Karriere auf die Frage, was er anders machen würde: "Offensivere Interviews geben und mich ins Gespräch bringen." Und wurde dann doch noch forsch. Als Bundestrainer-Assistent Michael Skibbe ihn mit 35 beobachtete, konterte Max: "Man fragt sich doch, ob Skibbe noch alle Tassen im Schrank hat." Herrlich wurde im März 1995 gegen Georgien neben Klinsmann in der Startelf aufgeboten. Dieser attestierte ihm anschließend öffentlich, er habe "unglücklich gespielt". Die EM 1996 verpasste Herrlich wegen einer Verletzung, sein fünftes Länderspiel blieb sein letztes. Bei diesem Turnier startete stattdessen Stefan Kuntz durch, der erst sieben Jahre nach dem Gewinn der Torjäger-Krone (1986) erstmals nominiert wurde. Kuntz war beim Debüt 28. Preetz gar schon 31. Der Hertha-Stürmer spielte ausgerechnet beim unglückseligen Confed Cup 1999. Dort schoss er ein Tor, betonte öffentlich, dass das Scheitern nicht die Schuld von DFB-Teamchef Erich Ribbeck gewesen sei – und musste die EM 2000 dennoch vor dem Fernseher verfolgen.