Das sagt Stefan Effenberg im AZ-Interview über die Zukunft der Nationalelf

Stefan Effenberg (50), ehemaliger Kapitän des FC Bayern, ist neuer Experte im "CHECK24 Doppelpass" auf Sport1 (Sonntag, 11 Uhr).
AZ: Herr Effenberg, fürchten Sie, dass das WM-Debakel den Nationalspielern immer noch nachhängen könnte?
STEFAN EFFENBERG: Ich glaube, genau das Gegenteil ist der Fall und dass man aus dieser Katastrophe eher Motivation zieht. Enttäuscht war jeder Spieler, keine Frage. Das zehrt, man hat daran zu knabbern – das ist auch hart. Aber dann musst du auch relativ schnell sagen: abhaken und jetzt will ich es besser machen und das auch zeigen. Man darf nicht zulassen, dass dies einen weiter runterzieht und fertigmacht. Diese Reaktion würde ich an Jogi Löws Stelle jedenfalls erwarten – und keine andere.
Was muss aus Ihrer Sicht nach dem WM-Debakel geändert werden?
Das nächste Länderspiel steht ja schon vor der Tür. Da wird es mit Sicherheit auch Änderungen im Kader geben und die muss es geben. Da sollte man schon gut überlegte Entscheidungen treffen, die dann aber auch stehen müssen. Es wird gravierende Veränderungen im Kader geben. Der große Vorteil des Bundestrainers ist es, dass er nicht im Wochenrhythmus spielt. Er kann jetzt die Mannschaft Stück für Stück umbauen. Wenn ich etwas von einer möglichen Rückkehr von Mesut Özil höre – das ist totaler Quatsch. Auf dem Thema muss der Deckel drauf sein. Und wenn er jetzt einen nicht berücksichtigt, bin ich gespannt, wie er das verkauft, ob das für das eine Spiel sein wird, oder vielleicht, solange er Bundestrainer ist.
Könnte es da auch etablierte, große Namen treffen?
Da bin ich mir mal ganz sicher. Das sind wahrscheinlich sogar Spieler, die sagen, dass sie weitermachen, aber dann auf einmal nicht mehr weitermachen dürfen. Wenn Jogi Löw da jetzt nicht Härte zeigt, wovon ich allerdings ausgehe, wäre ich schon enttäuscht.
Effenberg: Kroos ist wie wichtigste Personalie überhaupt
Denken Sie dabei an konkrete Spieler?
Ich will keine Namen nennen. Jeder hat gesehen, was bei der WM abgelaufen ist und welche Diskussionen über welche Spieler vor und nach jeder Partie geführt wurden. Wenn man diese Spieler rausnimmt, ist man schon sehr nahe am Ergebnis dran.
Wie wichtig ist es, dass Toni Kroos weiter für die Nationalelf spielen wird?
Das ist mit die wichtigste Personalie überhaupt. Darüber kann Löw wirklich sehr froh sein, weil er ein ganz entscheidender Spieler in dem System der Nationalmannschaft ist. Dann holst du dir noch zwei, drei andere und baust um die herum die neue Mannschaft auf, beziehungsweise gibst ihr ein neues Gesicht.
Zum Auftakt geht es im September gleich gegen Frankreich. Nicht unbedingt die dankbarste Aufgabe, oder?
Doch. Die Nationalmannschaft kann froh sein, dass sie genau diesen Gegner direkt haben und nach Peru dann Holland als nächsten. Das sind schon Kaliber, die einem alles abverlangen – die Konzentration und die Anspannung sind direkt enorm. Das wird natürlich nicht einfach, aber das ist genau die Kategorie, an der die Nationalelf sich messen lassen muss. Da bekommt man relativ schnell Antworten, ein schwächerer Gegner bringt dir doch keine Erkenntnisse. Genau die braucht Jogi Löw jedoch und wird sie gegen Frankreich bekommen.
Effenberg: Schweinsteiger macht viele Dinge richtig momentan
Philipp Lahm soll der OK-Chef für die EM 2024 werden, auch einen Sitz im DFB-Präsidium bekommen. Ist er jemand, der dort etwas bewegen kann?
Aufgrund seiner Erfahrung und der Erfolge, die er in der Nationalelf gefeiert hat, ist das eine nachvollziehbare Personalie. Im Endeffekt müssen sich alle beim DFB hinterfragen, auch die Verantwortlichen.
Bastian Schweinsteiger hatte am Dienstagabend sein Abschiedsspiel mit Chicago Fire in München. Welche Bedeutung hat er für den deutschen Fußball?
Er hat einen enormen Stellenwert und in seiner Karriere alles richtig gemacht, auch den Gang nach Chicago noch mal. Um die Sprache noch besser zu lernen und ein Stück weit auch in der Anonymität zu leben. Das sind alles gute Entscheidungen, die er getroffen hat. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir den Bastian in Zukunft auch wieder in Deutschland sehen werden, in irgendeiner Tätigkeit im Fußball. Er ist glücklich mit seiner Familie und darauf kommt es an. Er macht wirklich viele Dinge richtig momentan.