Das sagt Löw zum Bundestrainer-Beben
Die Abschiedstour hat begonnen. Den ersten öffentlichen Auftritt dabei hat Joachim Löw seit gestern bereits hinter sich. Nachdem sich seit Montag, als er seinen Rücktritt als Bundestrainer nach der kommenden Europameisterschaft bekanntgegeben hatte, inzwischen so ziemlicher jeder Experte über ihn geäußert hat, nahm Löw dabei selbst zu seiner Entscheidung Stellung. Die soll bei der Nationalmannschaft spätestens 2024 "für eine Explosion" sorgen, wie er sagte. Seine Vision bezieht sich auf die dann anstehende Heim-EM, in die er die Mannschaft am liebsten als Titelverteidiger schicken würde. Für ihn würde das den perfekten Abschied bedeuten, für den er selbst sozusagen mit seiner letzten Amtshandlung im Sommer sorgen könnte.
Löw sieht sich nicht mehr als Protagonist
"Ab heute gilt meine volle Konzentration der EM. Wir wollen das Maximale erreichen", sagte Löw. Für dieses letzte große Ziel werde er noch einmal "alle Kräfte freisetzen". Seine verjüngte Nationalmannschaft werde aber erst 2024 "ihren Leistungszenit erleben". Dann, sagte Löw, soll ein Sommermärchen 2.0 her. Wie die WM 2006 könne die EM "unheimlich viel bewirken für unsere Gesellschaft, für alle Menschen in unserem Land". Als Protagonist sieht er sich nicht mehr. Zu dieser Erkenntnis sei er nach einem intensiven Prozess der Selbstreflexion gekommen. Sein Entschluss zum selbsterwählten vorzeitigen Ende seiner DFB-Ära sei nach "tagelangem" Überlegen "vor zwei, drei Wochen" gefallen. Jetzt sei "der richtige Zeitpunkt, den Stab an einen anderen Trainer weiterzugeben".
Den Höhepunkt erreichte er 2014
Seit 2004 war Löw zunächst als Co-Trainer beim DFB beschäftigt und hatte nach der Heim-WM 2006 Jürgen Klinsmann als Chefcoach abgelöst. 2014 erreichte er mit dem WM-Titel den Höhepunkt seines Schaffens. "15 Jahre sind heutzutage geradezu eine Ewigkeit. Ich bin sehr, sehr dankbar für das Vertrauen und die Rückendeckung", sagte Löw: "Ein neuer Trainer braucht Zeit. Da ist der Zeitraum von drei Jahren für ein Turnier im eigenen Land der richtige." Diese Möglichkeit will er seinem Nachfolger und den Spielern mit seinem Rücktritt geben: "Die Mannschaft braucht Raum, Zeit und Entwicklung."
Zuletzt gab es nur noch Tiefpunkte
Unter seiner Führung stagnierte genau die zuletzt. Mit dem 0:6 gegen Spanien musste er nach dem WM-Vorrundenaus 2018 einen weiteren Tiefpunkt als Bundestrainer erleben. Der frühzeitig vor der EM angekündigte Rücktritt ist auch ein abschließender Versuch, seine Spieler noch einmal für ein letztes gemeinsames Ziel voll hinter sich zu bringen. Ein Plan, der aufgehen könnte, glaubt zumindest Uli Hoeneß. "Die Spieler werden sich mit ihrem Trainer solidarisieren", sagte der Ehrenpräsident des FC Bayern dem "Kicker": "Sie wollen ihm einen guten Abgang bereiten." Hoeneß weiß, wovon er spricht. Er gehörte zu den Personen, die Löw vor der offiziellen Bekanntgabe seines Rücktritts persönlich am Telefon darüber informierte. "Ein paar habe ich angerufen", verriet Löw: "Kapitän, Vize-Kapitän, einige, die lange dabei sind: Ilkay Gündogan, Toni Kroos, Manuel Neuer. Denen wollte ich es persönlich sagen." Es sei "die total richtige Entscheidung", glaubt Hoeneß. Löw werde nun nämlich "nicht mehr getrieben und ist Herr seiner Entscheidungen".
Löw will weiterhin Trainer bleiben
Für die Zeit nach der EM gilt das sowieso. Löw will definitiv weiter als Trainer arbeiten. Wie, wann und wo, darüber habe er sich noch keine Gedanken gemacht, beteuerte er und will sich stattdessen voll auf die EM fokussieren. Die gehe er genauso an wie die letzten Großereignisse. "Wenn ich irgendetwas besonders liebe, ist das ein Turnier mit den besten Mannschaften", sagte Löw, "darauf habe ich immer hingefiebert. Das ist jetzt genauso." Zur Suche nach seinem Nachfolger wollte sich der 61-Jährige nicht äußern. Mit "Ruhe und Sorgfalt" will der DFB die laut Präsident Fritz Keller angehen: "Wir haben alle Zeit der Welt. Es gibt keine Denkverbote. Alles ist möglich. Wir wollen die beste Wahl haben zum Schluss." Es darf also weiter spekuliert werden über mögliche Kandidaten wie zum Beispiel Ralf Rangnick, Stefan Kuntz, Jürgen Klopp oder Bayern-Coach Hansi Flick, Löws ehemaligen Co-Trainer.
Bis September soll ein Nachfolger feststehen
"Wir wollen nicht in bestehende Verträge eingreifen", schränkte Bierhoff allerdings ein, "wenn es Gespräche gibt, dann immer in Absprache mit den Vereinen." Ein deutscher Trainer soll es möglichst sein, verriet Bierhoff noch, einzelne Namen will er auch zukünftig nicht kommentieren. Den DFB-Direktor, den Löw als Ersten über den Abschied informierte, trifft die Suche nach einem neuen Bundestrainer nicht unvorbereitet. "Im Hinterkopf hatten wir so einen Fall immer. Jetzt geht es ans Eingemachte", sagte er. Zeitnot habe man "absolut keine". Bis September soll Löws Nachfolger feststehen, der spätestens 2024 für eine Explosion sorgen soll.