Das sagt Gewaltforscher Gunter A. Pilz über die Fußball-Weltmeisterschaft in Russland
Der Sportsoziologe Gunter A. Pilz hat sich als Konflikt- und Gewaltforscher einen Namen gemacht. Bis 2015 arbeitete er an der Universität Hannover.
AZ: Herr Professor Pilz, russische Hooligans haben angekündigt, die WM 2018 in ein "Festival der Gewalt" zu verwandeln. Wie groß ist die Gefahr, dass wir wieder solche Bilder sehen wie bei der EM 2016, als russische Krawallmacher in Marseille auf englische Fans losgegangen sind?
GUNTER A. PILZ: Alles, was man in Russland momentan beobachten kann, ist, dass die Wahrscheinlichkeit von Ausschreitungen gegen Null geht. Der russische Staat und Präsident Wladimir Putin haben den Erfolg der Weltmeisterschaft – im Sinne von fröhlichen Feiern und ohne Gewalt – zum obersten Ziel gemacht. Eine friedliche WM ist für Putins politische Reputation unglaublich wichtig. Insofern sind die Anführer der russischen Hooligans alle im Vorfeld bereits verhaftet worden oder stehen unter derart massiven Repressionen, dass sie sich völlig zurückziehen. Einer zum Beispiel, das hat eine ZDF-Info-Dokumentation aufgezeigt, züchtet jetzt völlig resigniert auf dem Land Gänse.
WM 2018: "Es wird sehr viel Polizei und Militär bereitstehen"
Und wenn trotzdem etwas passieren sollte?
Dann werden die russischen Behören mit allen Mitteln – rechtsstaatlichen und, da es sich um einen autokratischen Staat handelt, wohl auch nicht rechtsstaatlichen – das im Keim ersticken. Es wird sehr viel Polizei und Militär bereitstehen, die auch schnell eingreifen können. Was Gewalt anbelangt, wird es wohl eine der entspanntesten Weltmeisterschaften werden.
Wie sieht es mit Hooligans aus dem Ausland aus?
Ich bin fest davon überzeugt, dass es sich Hooligans aus den westlichen Ländern dreimal überlegen, ob sie nach Russland fahren, weil sie alle die massive Repression des Staatsapparates fürchten. Allenfalls könnte ich mir vorstellen, dass man auf polnische, kroatische oder serbische Hooligans aufpassen muss.
Deutsche Fanszene: "Renaissance der Nazi-Hools"
Ist die deutsche Hooliganszene überhaupt noch so stark organisiert, dass sie zu großen Ausschreitungen fähig wäre? Oder wurde sie längst durch andere Gruppen, etwa die Ultras, verdrängt?
Wir beobachten seit ein paar Jahren die Renaissance der Nazi-Hools. Im Zuge des allgemeinen Rechtsruckes tauchen sie wieder verstärkt auf, wie etwa bei der Hogesa-Demonstration 2014 in Köln oder am Rande von Pegida-Veranstaltungen. Problematisch ist derzeit vor allem die Verbindung zur Mixed-Martial-Arts-Szene (eine Vollkontakt-Kampfsportart, d.Red.), wo sich rechte Hooligans, Rocker und Neonazis fitmachen für den Straßenkampf.
Welche Rolle spielen die sozialen Medien?
Die größte Gefahr, die von den sozialen Medien ausgeht, ist die erschreckend zu beobachtende Verrohung der Sprache, die Verbreitung von Diskriminierungen, Beleidigungen und Ähnlichem. Diese Verrohung der Sprache führt insgesamt zu einer Verrohung von Verhaltensweisen, die sich auch mit körperlicher Gewalt vermischen kann.
WM in Russland: "Unheimlich deutschfreundlich"
In russischen Stadien ist es zuletzt auch immer wieder zu rassistischen oder homophoben Beleidigungen gekommen. Könnte auch das bei der WM zum Problem werden?
Die Gefahr ist natürlich da, weil gerade Homophobie in Russland sehr stark ausgeprägt ist. Aber Putin und die Russen wissen, dass die Fifa sehr genau registriert, wo es diskriminierende Ausfälle gibt. Der russische Staat hat also ein großes Interesse daran, auch diese unter dem Deckel zu halten, um nicht das Bild einer friedlichen WM zu schmälern.
Was raten Sie deutschen Fans, die zur WM fahren wollen?
Den friedlichen Fans rate ich dazu, hinzufahren, die Russen sind eines der gastfreundlichsten Völker und trotz Stalingrad und zweier Weltkriege unheimlich deutschfreundlich.
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