„Das muss der Lothar aushalten“

„Born to be Waldi“: Waldemar Hartmann besteigt die Kabarettbühne. Hier spricht er über seine Spitzen gegen Matthäus und Kahn, die Bayern – und einen neuen Weißwurst-Werbevertrag.
AZ: Herr Hartmann, bei Ihnen ist der Name, pardon: Spitzname, Programm. „Born to be Waldi“ heißen Ihr Bühnenprogramm und auch das Buch, das daran angelehnt ist. Darin gehen Sie nicht eben zimperlich mit manchen Fußballgrößen um. Am härtesten trifft Ihr Spott wohl Lothar Matthäus – wegen seines Privatlebens.
Genau das lebt Lothar doch jeden Tag öffentlich vor. Das habe ja nicht ich erfunden, dass er nicht nach Argentinien geht, weil seine Frau dort keinen Modelvertrag bekommt. Das verkündet er über „Bunte online“. Dass ich das dann kommentiere – damit muss er leben. Das ist bei Kahn genauso. Ich habe meinen Ferrari nicht auf dem Behindertenparkplatz geparkt – das hat er gemacht. Er ist, als seine Frau schwanger war, mit Verena durch die Stadt getigert und aus vielen Türen mit einem Gucci-Täschchen gekommen. Das habe ich nicht erfunden, sondern kommentiere es nur.
Das muss der Lothar aushalten. Das darf man doch vermuten – bei dem Trend zu immer Jüngeren.
In Ihrer neuen Rolle distanzieren Sie sich vom tagesaktuellen Journalismus, oder?
Das ist eine Entwicklung, die mir Spaß gemacht hat – auch wenn ich sie nicht betrieben habe. Dass so etwas wie „Waldis Club“ funktionieren würde, war mir klar, seit wir „Waldi & Harry“ gemacht haben.
Mit Harald Schmidt können Sie gut. Haben Sie im Kollegenkreis Neid gespürt nach dem Motto: Der Hartmann hängt sich an Schmidt ran, damit der ihn wieder hoch bringt?
Ich habe es nicht gespürt, aber ich kann mir denken, dass es mancherorts ein Thema war. Natürlich war Harald ein Glücksfall für mich, keine Frage. Zu dem Zeitpunkt war er der absolute Guru, die Intendanten haben vor ihm den Weihrauchkessel geschwenkt – und er sagte: Ich mache es aber nur mit Waldi!
Schön für Sie.
Ich hatte ja das Gegenteil auch schon erlebt. Etwa als Günter Netzer sagte: Ich mache es in der ARD nur mit Delling. Vorher hatten Delling und ich uns bei Länderspielen abgewechselt: Mal moderiert der eine, und der andere interviewt den Bundestrainer. Als Netzer kam und auf Delling bestand, hatte ich als Interviewer dann den Berti Vogts als Dauerstrafe.
Ihr Glück – sonst hätte es den legendären Streit mit Rudi Völler in Island nicht gegeben. Der schimpfte, Sie hätten sich vor der Sendung wohl drei Weißbier reingezogen.
Klar, das war ein Meilenstein – und auch ein finanzieller Kick: Der Vertrag mit Paulaner läuft immer noch. Und bald kommt noch ein Weißwurst-Vertrag dazu, der gerade ausgehandelt wird, dann bin ich der Weißbier- und Weißwurst-Waldi.
Finden Sie mit 61 noch jenen engen Draht zu den Spielern, für den Sie einst in der Branche bekannt waren?
Da gab es einen Knackpunkt: 2004, die EM in Portugal, als Poldi und Schweini ins Spiel kamen, ich nenne es mal die Playstation-Generation. Da habe ich gemerkt: Das ist jetzt nicht mehr meine Generation. Auf Bitten von meinem alten Spezl Roland Grahammer, der damals Schweinsteigers Berater war, habe ich mich mit Bastian am Pool getroffen. Ich sollte ihm Tipps geben für die bevorstehenden Interviews. Nach 20 Minuten merkte ich: Ich spreche nicht mehr die Sprache dieser Jungs. Das war das einschneidende Erlebnis. Auch wenn ich heute mit Schweini gut reden kann, spürte ich damals: Die lassen dich jetzt merken, dass du einer anderen Generation angehörst. Bei Poldi war’s noch deutlicher. Er ist ein lustiger Typ. Aber was hätte ich mit dem beim Bier an der Theke reden sollen? Mir ist da nichts mehr eingefallen.
Sind Sie also vom Informationsfluss abgeschnitten?
Nein. Ich kenne ja die nächstältere Generation gut. Das sind die heutigen Entscheider. Ich bin also nicht mit weniger Insiderwissen ausgestattet.
Als Kenner der ARD und von Mehmet Scholl: Wird Scholl der nächste Netzer?
Ich denke, er ist der erste Kandidat. Er hat das bisher gut gemacht. Es hängt von ihm ab, von dem, was er in seiner Trainerkarriere plant. Der direkte Vergleich der beiden Ex-Karlsruher wäre ja schon ein Spaß.
Sie meinen: Scholl als ARD-Experte, Oliver Kahn im ZDF.
Genau. Kahn hat sich vor der Kamera extrem verändert. Dass der da plötzlich mit Föhnwelle und im Anzug staatsmännisch auftritt, ist für mich schon ein ungewohntes Bild. In seiner aktiven Zeit ging er ja nicht gerade auf Journalisten zu – und jetzt betreibt er diesen Job! Da habe ich große Augen gemacht.
Hat sich Ihr Verhältnis zu Bayern geändert, seit Sie seltener im Tagesgeschäft sind?
Eigentlich nicht. Weil sich ja auch mein Verhältnis zu Rummenigge und Hoeneß nicht geändert hat. Und der Breitner Paul ist Stammgast bei mir im Club, mit dem rede ich natürlich auch über den FC Bayern. Ich denke, mein Wissen über innere Vorgänge bei Bayern hat nicht gelitten.
Schon das Vergnügen mit van Gaal gehabt?
Leider nicht. Dass der gewöhnungsbedürftig ist, war ja nicht neu. Da hat man nur mal bei den Kollegen in Holland fragen müssen – oder Franz hätte mal bei Johan Cruyff nachfragen müssen, der mit van Gaal ja brutal auf Kriegsfuß ist. Ich hätte vorgeschlagen, Arie Haan mal anzurufen: Ich glaube, der toppt Cruyff noch, wenn es um van Gaal geht!
Mit Vorgänger Jürgen Klinsmann gab es andere Probleme.
Ich war völlig platt, als Bayern den holte. Einen Mann, der den Klub als Spieler verlassen hatte mit den Worten: „Es passte nicht.“ Einen Mann, dessen Berater Hausverbot hatte. Ich weiß, dass der Franz mal aus einer Verhandlung mit dem Spieler Klinsmann kam, schneeweiß war und rief: „I bring den um!“ Und dann holen die den als Trainer. Unglaublich.
Klinsmann sagte zuletzt, bei seiner Entlassung hätte auch der Manager Uli Hoeneß entlassen gehört.
Ausgerechnet Uli! Als Kalle längst auf Tauchstation gegangen war, war Uli doch der Einzige, der ihn noch gehalten hat. Und dem haut der Jürgen vor den Koffer – das ist doch nicht normal! Und dass der Vorwurf kam, Klinsmann hätte von Taktik keine Ahnung gehabt, war mir völlig klar. Dem war es früher als Stürmer völlig wurscht, woher der Ball kam – aus einer Dreierkette, Viererkette, Doppelsechs oder flache Raute: Hauptsache, der Ball kam im Strafraum zu ihm! Egal, bei welchem Verein Klinsmann gespielt hat: Wenn seine Mannschaft 2:3 verloren, aber er die beiden Tore gemacht hatte, dann war der Tag für ihn okay! Ich hatte Klinsmann einfach zu nah erlebt. Auch dieses Doppelleben: Dort das alte Käfer-Cabrio, hier der neue Ferrari – nein, damit konnte ich nichts anfangen.
Wie sehen Sie Christian Nerlingers Rolle als Sportdirektor – neben oder unter dem Präsidenten Hoeneß?
Das ist vielleicht wie bei dem Ehepaar, das getrennte Schlafzimmer hat und vereinbart, dass einer eine Glocke läutet, sobald er Sehnsucht nach dem anderen hat – und dann kommt eines stillen Abends die Frau zu ihrem Mann ins Zimmer und fragt ganz arglos: „Schatz, hast du gerade geläutet?“ So ähnlich könnte es mit Hoeneß und Nerlinger sein. Uli wird schon mal rüberkommen zu Nerlinger und fragen: „Liegt was an?“ Ich kann’s mir anders nicht vorstellen.
Kann Nerlinger in die Position hineinwachsen?
Ja, schon. Auch wenn wir keinen zweiten Hoeneß mehr erleben werden. Als ich Uli neulich traf, erzählte er von Transfers und wie er mit anderen Klubchefs verhandelt hat. Das hat alles Uli gemacht. Und was hat eigentlich Kalle gemacht?
Rummenigge wird sich – anders als vielleicht bei Hoeneß – ab sofort kaum in Nerlingers Windschatten schützen können. Nützt oder schadet ihm diese neue Alleinstellung an der Klubspitze?
Es wird schwer für ihn. Bisher war er so etwas wie der Außenminister des FC Bayern, auch als Chef in der europäischen Klubvereinigung. Jetzt muss er auch noch Kanzler und Innenminister sein. Mir fällt auf die Schnelle kein Beispiel ein von jemandem, der das geschafft hat – und sei er noch so fleißig.
Interview: Gunnar Jans, Michael Schilling