Das letzte Eigentor
München - Der Erfinder des Capitano musste absagen. Michael Ballack beendet am Mittwoch seine Karriere mit einem Abschiedsspiel. Nicht in München, nicht in London – in Leipzig. „Ich wäre wahnsinnig gerne dabei gewesen”, sagt Ex-Bundestrainer Jürgen Klinsmann, „gerade weil es Micha war, der meine rechte Hand war in den beiden Jahren und die Sommermärchen-WM entscheidend mitgeprägt hat.” 2006 scheiterte die Nationalelf mit ihrem von Klinsmann so genannten Capitano im Halbfinale an Italien. Damals wurde Ballack unter Wert geschlagen. Denn meist wurde er Zweiter.
Vize-Weltmeister 2002, ohne jedoch im Finale wegen einer Gelbsperre gespielt zu haben, Vize-Europameister 2008, Vize-Champions-League-Sieger 2008 mit dem FC Chelsea, tragischer Vize-Meister, weil Eigentorschütze am letzten Spieltag in Unterhaching, mit Leverkusen. Seine tatsächlich errungenen Titel (vier Mal Meister mit Bayern und Kaiserslautern), ein Mal Champion der Premier League haben sich nicht ins Gedächtnis der Fans eingebrannt.
Der Unvollendete sagt Ciao und hat dazu Freunde und Wegbegleiter zur Partie zwischen einer Weltauswahl und einem Team „Ballack and Friends” eingeladen. Auf eigene Faust, der DFB gewährte ihm kein Abschiedsspiel, der Streit darüber wurde zur Posse. Also musste er seinen Abschied selbst organisieren, er kündigte „einen Abend mit Weltklasse” an. Bastian Schweinsteiger musste wegen einer kurzfristigen Operation am Sprunggelenk (Seite 23) absagen, dafür kommen etwa seine alten Chelsea-Kumpel Didier Drogba und John Terry und Trainergrößen wie José Mourinho, Rudi Völler – und auch Bundestrainer Joachim Löw, mit dem das Verhältnis nie wirklich gut war.
98 Länderspiele, auch so eine Pointe, die Hundert hat er nicht gepackt, stehen in Ballacks Vita, das letzte war das 0:1 in München gegen Argentinien im März 2010 vor der WM in Südafrika. Kurz vor Beginn des Turniers senste ihn Kevin-Prince Boateng im englischen Cup-Final um, die Verletzung kostetet Ballack die WM-Teilnahme. Als er die Mannschaft vor dem Viertelfinale besuchte, hatte Philipp Lahm, zunächst Löws Interimskapitän, längst die Macht an sich gerissen, die Mannschaft spielte mit Mittelfeld-Chef Schweinsteiger einen anderen, spielerischen und zeitgemäßeren Fußball. Ballack, der scheinbar Unersetzliche, wurde plötzlich nicht mehr gebraucht. Es folgten zwei unglückliche Jahre bei Bayer Leverkusen, in denen er sich erst mit Trainer Jupp Heynckes rieb, dann mit Trainer Robin Dutt – und sowieso mit Boss Wolfgang Holzhäuser.
Zuletzt arbeitete er als TV-Experte fürs US-Fernsehen. „Ich werde den Trainerschein machen”, kündigte er nun im „Express” an und erklärte: „Ich habe keine Probleme damit, dass es jetzt vorbei ist. Ich hätte meine Karriere ja fortsetzen können. Aber ich habe gesagt: Ich mache Schluss, es reicht. Ich wurde dazu nicht gedrängt. Jetzt kann ich mich als Mensch neu erfinden.”
Reibungslos verlaufen die ersten Schritte im Medienbusiness nicht. Ein verabredetes Interview mit der „Welt” platzte, weil die für das Ciao-Spiel beauftragte Hamburger Agentur TPS einen Vertrag schickte, der zuvor unterschrieben werden solle. Die Bedingungen: Ballack sollte Überschrift, Vor- und Abspann, Zwischenzeilen, Bildunterschriften und Ankündigung im Inhaltsverzeichnis selbst bestimmen dürfen. Vertragsstrafe je Abweichung satte 25000 Euro. Das Blatt lehnte ab und machte den Vorfall öffentlich. Ein letztes Eigentor. Immerhin: Ballack will Einnahmen seines Abschiedsspiels spenden –100000 Euro allein für die Hochwasser-Opfer. Anstoß ist 20.05 Uhr. Nicht das ZDF oder die ARD, nein, der MDR überträgt. Sachsen halten zusammen.