Das lebende Symbol der Versöhnung

Matthew Booth ist einer der beliebtesten Nationalspieler Südafrikas – und der einzige weiße. Seine Frau stammt aus Soweto, sie ist schwarz. „Ich nehme die Hautfarbe gar nicht mehr wahr“
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Der einzige Weiße in der Nationalmannschaft Südafrikas: Matthew Booth.
AP Der einzige Weiße in der Nationalmannschaft Südafrikas: Matthew Booth.

Matthew Booth ist einer der beliebtesten Nationalspieler Südafrikas – und der einzige weiße. Seine Frau stammt aus Soweto, sie ist schwarz. „Ich nehme die Hautfarbe gar nicht mehr wahr“

„Wenn ich bei der WM auf afrikanischer Erde dabei sein darf, kann ich glücklich sterben.“ Matthew Booth (33)

Booth ist dabei. Er gehört zu Südafrikas Nationalteam, das am Freitag (16 Uhr, ARD) gegen Mexiko das Eröffnungsspiel bestreitet.

Der Verteidiger, fast zwei Meter lang, ist sich seiner symbolischen Bedeutung für das demokratische Südafrika bewusst. Er ist der einzige weiße Nationalspieler des Landes – und einer der beliebtesten. Ein lebendes Symbol der Versöhnung. Als die internationale Fußballgemeinschaft beim Confed-Cup vor einem Jahr erstmals auf ihn aufmerksam wurde, saß seine Ehefrau Sonia Pule auf der Tribüne: „Jemand neben mir fragte, warum er ausgebuht werde“, sagt sie, „ich musste lachen. Das Gegenteil war der Fall. Die Fans rufen einfach gerne seinen Namen.“ Buuuuuuuuuth.

Dem Publikumsliebling selbst scheint die Aufmerksamkeit fast unangenehm zu sein. Nach einer Trainingseinheit in der Johannesburger Milpark-Sportanlage setzt er sich auf den Rasen. Es ist ruhig, ein paar Meter weiter stehen die Bäume eines Parks, die WM-Hektik plötzlich weit weg. Booth trägt Badeschlappen und ein wunderbar höfliches Lächeln. „Ich versuche, nicht an die Sache mit der Hautfarbe zu denken“, sagt er, „die Leute nehmen Fußball in Südafrika immer als Sport der Schwarzen wahr. Das stimmt nicht ganz, Fußball wurde wie keine andere Sportart von allen ethnischen Gruppen gespielt.“ Allerdings lange Zeit streng getrennt. Als Booth 1982 in Kapstadt im Amateurverein Fish Hoek AFC anfing, waren alle seine Mitspieler weiß, so wie ganz Fish Hoek damals. Es gab bis zum 1977 eigene Ligen für Schwarze, Weiße und Gemischtfarbige (Coloureds) – danach bröckelte die Apartheid im Fußball, als einem der ersten gesellschaftlichen Bereiche.

Heute sagt Booth: „Ich nehme die Hautfarbe gar nicht mehr wahr.“

Nur wenige verkörpern die Wunschvorstellung des modernen Südafrikas so wie er. Dabei hat Booth die Politik der Rassentrennung selbst noch hinreichend erlebt: Er wuchs in der weißen Mittelschicht auf, spielte zunächst die klassischen weißen Sportarten wie Rugby und Kricket.

Seine Ehefrau Sonia Pule ist schwarz, stammt aus Soweto. Ihr Vater starb einen Monat nach ihrer Geburt, sie teilte sich drei Zimmer mit 16 Familienangehörigen. Irgendwann begann Sonia, an Schönheitswettbewerben teilzunehmen – und gewann oft. So kam die Familie zu einem Toaster und einem Fernseher.

Vor zehn Jahren traf Booth das angehende Model, das für einen Mitspieler als Babysitter jobbte. „Ich habe realisiert, dass er kein durchschnittlicher, pompöser Fußballspieler ist“, hat Sonia gesagt, „er ist ziemlich cool.“ Die beiden sind seitdem ein Paar, was trotz der erfreulichen Annäherung zwischen der schwarzen und weißen Bevölkerung in ländlichen Gegenden Südafrikas noch eher selten ist.

Booth ist sicher nicht der beste Techniker im Team, eine Bänderverletzung hat ihn zudem zurückgeworfen. Mag sein, dass er bei Nationaltrainer Carlos Alberto Parreira nicht erste Wahl ist. Bei den Fans ist er es. Weil er immer alles gibt. Weil er dazugehört.

Gut, dass er dabei ist. Christian Putsch

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