Das ist Münchens schlechteste Fußballmannschaft
München - Donnerstagabend in der Umkleidekabine des SC München Süd II. Das Licht ist fahl, der Raum eng, es riecht nach Niederlagen. Zum Abschlusstraining vor dem ersten Saisonspiel in der untersten Liga, der C-Klasse, sind sechs Spieler gekommen. Als sie sich umziehen, zieht sich einer die Schuhe von Cristiano Ronaldo an, dem Star von Real Madrid. „Deswegen spielt er auch nicht besser“, schüttelt Trainer Hans Haas den Kopf und geht raus. „Schuhe von Deichmann würden reichen.“ Hans Haas nimmt’s mit Humor. Sein SC München Süd II war letzte Saison die schlechteste Fußball-Mannschaft Münchens. In der C-Klasse 5 belegten die Südler, wie sie sich nennen, mit zwei Punkten aus 22 Spielen den letzten Platz. Mit 19:109 Toren.
Wenn überhaupt jemand zum Training kommt, ist Hans Haas schon froh. Haas trägt eine Armeehose und eine schwarze Trainingsjacke, durch den geöffneten Reißverschluss blitzt ein Brusttattoo. Fußballtrainer stellt man sich 2013 irgendwie anders vor. Links trägt er einen Ring im Ohr, rechts einen modischen Stecker. Mit seiner muskulösen Gestalt, seinen weißen, halblangen Haaren und dem getrimmten Bart sieht er ein bisschen aus wie Catcher Hulk Hogan. Nur, dass der Hulk Hogan vom SC München Süd von allen „Hasi“ gerufen wird.
"Den Hasi kennt hier jeder“, sagt Karsten Wiche, so etwas wie das zweite Maskottchen des Vereins. Nach Hasi, der hier in Sendling zum Inventar gehört. Der Gebäudereiniger ist immer so früh es geht am Vereinsgelände, sperrt dann Kindern aus der Umgebung das Eisentor auf. „Mir ist lieber, sie spielen hier, als dass sie Blödsinn machen.“ Sozialarbeiter mit Ball, das gefällt ihm, sagt er. Zur riesigen Anlage des FC Wacker München ist’s nur ein Steinwurf, aber die Südler haben nur einen Kunstrasenplatz, umrahmt von hohen Bäumen, den man sich auch noch mit dem Erzrivalen vom FC Viktoria teilen muss. „Das ist wie bei 1860 und Bayern“, erklärt Vorstand Josef Tsiatsek. „Früher hat man kein Wort miteinander geredet.“
Stolz sind sie bei München Süd auf ihr Kühlhaus, in das 100 Kästen Bier passen. Und auf die Tatsache, dass Spielfeld und Vereinsheim so nahe beieinander liegen, dass man bei Vereinswirt Mario – ein Viktorianer – vom Platz aus ein Weißbier bestellen kann. Spieler Janosch beschreibt die Atmosphäre im Verein als „gesellig“.
Wer beim SC München Süd II kickt, muss früh raus. Anpfiff ist bei der Zweiten immer sonntags um 9 Uhr. „Viele kommen direkt aus der Disco“, sagt Wiche, selbst früher Trainer der Zweiten. „Wer das organisiert, hat einen Orden verdient“, sagt Vorstand Tsiatsek. Doch für den letzten Platz in der letzten Liga gibt es keine Orden. „Eigentlich“, erzählt Haas, „hat es vergangene Saison sehr gut angefangen.“ Sehr gut heißt: 0:2 gegen Schlösselgarten, 1:1 gegen die Münchner SpVG. „Dann aber gab’s immer mehr siebengescheite Spieler, die alles besser wissen wollten.“ Zwischen September und März hagelt es elf Niederlagen in Folge. Einem 2:2 gegen Centro Argentino folgen weitere acht.
"Zu viele Egos“, sagt Janosch, während er von Haas eine Kippe schnorrt. „Jeder glaubt, er kann ein Spiel alleine entscheiden. Dabei schießen wir meistens nicht mal ein Tor.“ Auch die Derbys gegen Wacker III gehen in die Binsen, 0:7, 2:4. „Die bescheißen“, heißt es bei Süd. Immer, wenn das Derby anstehe, würde Wacker das Spiel der ersten Mannschaft verlegen, die Spieler dafür in der Dritten einsetzen. Bei Süd gab es die ganze Saison keine einzige rote Karte. „Zu fair“, sagt Haas. „Wir haben keine Weltfußballer, aber alle halten zusammen“, meint Tsiatsek. Absteigen kann man aus der zwölften Liga nicht. „Wir wissen, dass wir schlecht sind“, sagt der 45 Jahre alte Torwart Fritz Gruber, der mal in der Ersten, mal in der Zweiten hält (oder nicht hält). Sie sind schlecht, aber irgendwie stolz auf sich.
„Man muss auf Schmerzen stehen“, sagt Janosch, und ist froh, dass er es zur neuen Saison in die erste Mannschaft geschafft hat. Auch Taner hat sich als Torschützenkönig der Zweiten für die Erste empfohlen. Mit sechs Toren. Was es für die am Sonntag mit einem Heimspiel gegen den FC Espanol beginnende Saison nicht unbedingt einfacher macht. „Es wird eng“, sagt Haas. Mit Siegen. „Das Allerallerwichtigste ist, gegen Viktoria nicht zu verlieren.“ 61 ist Haas mittlerweile und seit 44 Jahren ein Südler. „So schaut er auch aus“, sagt Tsiatsek trocken. Warum er dennoch als Trainer dabei bleibe, ist für Haas (Hobbys: „Sechzig, Süd, Motorradl“ – in dieser Reihenfolge) ganz einfach. „Weil ich den Fußball liebe.“ Und was, wenn doch mal wieder ein Sieg rausspringt? „Dann“, sagt Haas und dreht sich noch eine Kippe, „dann feiern wir durch bis Montagfrüh.“
Das Kühlhaus ist ja groß genug.