Das hat sich Löw von den Vorgängern abgeschaut

Herbergers Gespür, Beckenbauers Charme, Klinsmanns Adrenalin: Was sich Jogi Löw von den DFB-Trainern vor ihm abgeschaut hat.
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Der ideale Bundestrainer: Joachim Löw im Vergleich zu seinen Vorgängern.
dpa/dapd 9 Der ideale Bundestrainer: Joachim Löw im Vergleich zu seinen Vorgängern.
Herberger: Ruhe und Instinkt Sepp Herberger (1936-64; 162 Länderspiele; Weltmeister 1954): „Der Chef“ hatte die Ruhe weg und vertraute seinen Instinkten, seinem Gespür – von diesen „Bauchentscheidungen“ sprach auch Löw. Bei der WM 1954 überraschte er die Ungarn im Finale (3:2) mit einer ganz anderen Mannschaft als in der Vorrunde. Für mutige Personal-Rochaden stand also schon Herberger, nur die knorrige, bärbeißge Art hat Löw nicht.
dpa 9 Herberger: Ruhe und Instinkt Sepp Herberger (1936-64; 162 Länderspiele; Weltmeister 1954): „Der Chef“ hatte die Ruhe weg und vertraute seinen Instinkten, seinem Gespür – von diesen „Bauchentscheidungen“ sprach auch Löw. Bei der WM 1954 überraschte er die Ungarn im Finale (3:2) mit einer ganz anderen Mannschaft als in der Vorrunde. Für mutige Personal-Rochaden stand also schon Herberger, nur die knorrige, bärbeißge Art hat Löw nicht.
Schön: Respekt ja, Mütze nein Helmut Schön (1964-78; 139 Länderspiele; Europameister 1972, Weltmeister 1974): Der Mann mit der Mütze betreute die wohl beste DFB-Mannschaft aller Zeiten. Wie Schön setzt Löw auf einen respektvollen Umgang mit seinen Spielern, gibt sich autoritär aber auch mal als Kumpeltyp. Beide erklär(t)en den Spielern in Gesprächen, wenn sie einmal nicht spiel(t)en. Lediglich solch eine Mütze würde Löw nie aufsetzen.
Rauchensteiner 9 Schön: Respekt ja, Mütze nein Helmut Schön (1964-78; 139 Länderspiele; Europameister 1972, Weltmeister 1974): Der Mann mit der Mütze betreute die wohl beste DFB-Mannschaft aller Zeiten. Wie Schön setzt Löw auf einen respektvollen Umgang mit seinen Spielern, gibt sich autoritär aber auch mal als Kumpeltyp. Beide erklär(t)en den Spielern in Gesprächen, wenn sie einmal nicht spiel(t)en. Lediglich solch eine Mütze würde Löw nie aufsetzen.
Derwall: Freiraum – aber teilweise Jupp Derwall (1978-84; 67 Länderspiele, Europameister 1980): Er holte den EM-Titel in Italien. Seine Maxime war es, den Spielern Freiraum zu geben. Was 1980 funktionierte, weil es ihm die Akteure zurückzahlten, endete bei den nächsten Turnieren in Saufgelagen und nächtlichen Ausflügen. Derwalls Gutmütigkeit wurde ausgenutzt, Löw besitzt eine natürliche Autorität, zeigt den Spielern (siehe Boateng) ihre Grenzen auf.
dpa 9 Derwall: Freiraum – aber teilweise Jupp Derwall (1978-84; 67 Länderspiele, Europameister 1980): Er holte den EM-Titel in Italien. Seine Maxime war es, den Spielern Freiraum zu geben. Was 1980 funktionierte, weil es ihm die Akteure zurückzahlten, endete bei den nächsten Turnieren in Saufgelagen und nächtlichen Ausflügen. Derwalls Gutmütigkeit wurde ausgenutzt, Löw besitzt eine natürliche Autorität, zeigt den Spielern (siehe Boateng) ihre Grenzen auf.
Beckenbauer: Die Coolness Franz Beckenbauer (1984-90; 66 Länderspiele; Weltmeister 1990): Der Kaiser war die Lässigkeit in Person – nach außen. Baute eine Schein-Aura auf, als wäre ihm vieles egal. Ein penibler Arbeiter und Tüftler an seinem Schreibtisch, in der Kabine schon mal ein jähzorniger Wüterich. Auch Löw kann, wie im Griechenland-Spiel, fuchsteufelswild werden. Die Coolness und den Charme von Franz hat er fast schon erreicht.
dpa 9 Beckenbauer: Die Coolness Franz Beckenbauer (1984-90; 66 Länderspiele; Weltmeister 1990): Der Kaiser war die Lässigkeit in Person – nach außen. Baute eine Schein-Aura auf, als wäre ihm vieles egal. Ein penibler Arbeiter und Tüftler an seinem Schreibtisch, in der Kabine schon mal ein jähzorniger Wüterich. Auch Löw kann, wie im Griechenland-Spiel, fuchsteufelswild werden. Die Coolness und den Charme von Franz hat er fast schon erreicht.
Vogts: Der Star, die Mannschaft Berti Vogts (1990-98; 102 Länderspiele, Europameister 1996): Vogts setzte auf junge Spieler, scheute sich vor keinen noch so mutigen Personalentscheidungen, am Ende seiner Amtszeit verzettelte er sich (Rückholaktion Matthäus). Wie Löw propagierte Vogts: Der Star die Mannschaft. Was 1996 bestens funktionierte, doch seine eher trockene, biedere Art fand zu viele Gegner. Da kommt Löw lockerer rüber.
dpa 9 Vogts: Der Star, die Mannschaft Berti Vogts (1990-98; 102 Länderspiele, Europameister 1996): Vogts setzte auf junge Spieler, scheute sich vor keinen noch so mutigen Personalentscheidungen, am Ende seiner Amtszeit verzettelte er sich (Rückholaktion Matthäus). Wie Löw propagierte Vogts: Der Star die Mannschaft. Was 1996 bestens funktionierte, doch seine eher trockene, biedere Art fand zu viele Gegner. Da kommt Löw lockerer rüber.
Ribbeck: Die Kleidung Erich Ribbeck (1998-2000; 24 Länderspiele; kein Titel): Die schlechteste Bilanz als Bundestrainer, die kürzeste Amtszeit. Die EM 2000 war sein einziges Turnier, es endete mit dem Vorrunden-Aus ohne einen Sieg und einem nächtlichen Trinkgelage der Verlierer. Der Vergleich mit Löw ziemt sich nicht, selbst die Rhetorik Ribbecks war aufgesetzt. Immerhin: Auch Ribbeck war stets elegant gekleidet. Immerhin etwas.
dapd 9 Ribbeck: Die Kleidung Erich Ribbeck (1998-2000; 24 Länderspiele; kein Titel): Die schlechteste Bilanz als Bundestrainer, die kürzeste Amtszeit. Die EM 2000 war sein einziges Turnier, es endete mit dem Vorrunden-Aus ohne einen Sieg und einem nächtlichen Trinkgelage der Verlierer. Der Vergleich mit Löw ziemt sich nicht, selbst die Rhetorik Ribbecks war aufgesetzt. Immerhin: Auch Ribbeck war stets elegant gekleidet. Immerhin etwas.
Völler: Immer authentisch Rudi Völler (2000-2004; 28 Länderspiele; kein Titel): Als Ribbeck-Nachfolger war der volkstümliche „Ruuuudi“ für die Fans eine Erlösung, für die Spieler in Sachen Training und Taktik nicht der ideale Mann. Lebte von seiner Art als Kumpeltyp und seiner Motivationsfähigkeit. Blieb immer authentisch und trotz des Vorrunden-Aus bei der EM 2004 die beliebte „Tante Käthe“ – ob Löw das auch hinbekommen hätte?
dpa 9 Völler: Immer authentisch Rudi Völler (2000-2004; 28 Länderspiele; kein Titel): Als Ribbeck-Nachfolger war der volkstümliche „Ruuuudi“ für die Fans eine Erlösung, für die Spieler in Sachen Training und Taktik nicht der ideale Mann. Lebte von seiner Art als Kumpeltyp und seiner Motivationsfähigkeit. Blieb immer authentisch und trotz des Vorrunden-Aus bei der EM 2004 die beliebte „Tante Käthe“ – ob Löw das auch hinbekommen hätte?
Klinsmann: Die Begeisterung Jürgen Klinsmann (2004-06; 33 Länderspiele, kein Titel): Dessen beste Tat in den zwei WM-Jahren: Er engagierte Löw und zeigte sich nicht beratungsresistent. Vom Sonnyboy konnte sich Löw höchstens die Begeisterungsfähigkeit und das Adrenalin abschauen. Womöglich auch, wie man schwierige Personalentscheidungen (siehe Kahn/Lehmann) kühl durchdrückt. Die beiden schreiben sich heute noch SMS.
dapd 9 Klinsmann: Die Begeisterung Jürgen Klinsmann (2004-06; 33 Länderspiele, kein Titel): Dessen beste Tat in den zwei WM-Jahren: Er engagierte Löw und zeigte sich nicht beratungsresistent. Vom Sonnyboy konnte sich Löw höchstens die Begeisterungsfähigkeit und das Adrenalin abschauen. Womöglich auch, wie man schwierige Personalentscheidungen (siehe Kahn/Lehmann) kühl durchdrückt. Die beiden schreiben sich heute noch SMS.

Herbergers Gespür, Beckenbauers Charme, Klinsmanns Adrenalin: Was sich Jogi Löw von den DFB-Trainern vor ihm abgeschaut hat.

DANZIG - Berti Vogts hatte natürlich leicht reden. „Es ist die Pflicht eines Nationaltrainers in Deutschland, den Titel zu holen“, tönte der aktuelle Trainer von Aserbaidschan vor Beginn der aktuellen EM und prophezeite voller Überzeugung: „Wir können Europameister werden – ungeschlagen.“

Vogts ist der letzte Bundestrainer, der dem DFB einen Titel beschert hatte, vor 16 Jahren bei der EM in England. Er wollte zwar damit keinen Druck auf Joachim Löw aufbauen, meinte er beschwichtigend. Doch zu seiner gewagten Prognose fehlen aktuell nur noch zwei Siege, zunächst steht das Halbfinale am Donnerstag (20.45 Uhr, ARD live) gegen Italien an.

Für Löw (52) ist es das dritte Turnier in alleiniger Verantwortung, immer kam er aufs Treppchen. Zweiter 2008, Dritter 2010, nie war er ganz oben. Dennoch hat der Mann, den Klinsmann nach der desaströsen EM 2004 als seinen Assistenten engagierte und der sofort die Trainingssteuerung und alle taktischen Belange an sich zog, schon gewonnen – und zwar: die Anerkennung.

Nicht nur der Fans in Deutschland, sondern der ganzen Welt, die den neuen Offensivstil der DFB-Elf bewundert. Nach Jahren des Rumpelfußballs unter den Teamchefs Ribbeck und Völler gab Löw der Mannschaft eine klare Linie, Struktur und einen eigenen Charakter. Das führte zu einer exzellenten Bilanz: Seit 2006 gewann die DFB-Elf unter Löw 57 ihrer 82 Länderspiele, das ist bei 13 Unentschieden und zwölf Niederlagen eine Erfolgsquote von knapp 70 Prozent. Der beste Wert aller DFB-Übungsleiter.

Die AZ zeigt, was von seinen Vorgängern in Löw steckt, was er ihnen voraus hat und auf welche Eigenschaften er besser verzichtet hat. Kurz: Was ist dran an diesem Mann?

 

 

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