"Das hat er nicht verkraftet"
München - Er war in den 70er Jahren Geschäftsführer beim TSV 1860, wurde als einer der profiliertesten Bundesliga-Schiedsrichter bundesweit bekannt, war zuletzt Schiedsrichter-Sprecher – dann aber in jüngster Vergangenheit vor allem durch die Affäre mit dem Schiedsrichter Michael Kempter und in dessen Folge durch einen Rechtsstreit mit dem DFB und eine Schlammschlacht mit dessen Ex-DFB-Präsident Theo Zwanziger in die Schlagzeilen geraten.
Nun ist Manfred Amerell tot. Mit 65 starb er in München. Die Polizei fand am Dienstagnachmittag die Leiche in seiner Wohnung in Neuhausen, nachdem sie gerufen worden war, weil die Post im Briefkasten überquoll. Die Wohnungstür wurde aufgebrochen – und dann machten die Beamten den schrecklichen Fund: Die Leiche Amerells muss dort schon mehrere Tage gelegen haben. Der gebürtige Münchner hinterlässt eine Frau und zwei erwachsene Töchter.
„Wir haben unter der betreffenden Adresse eine tote Person aufgefunden. Ermittlungen zur Todesursache dauern noch an“, sagte ein Polizeisprecher. Auch wenn es offiziell es noch keine Todesursache gibt, so soll es sich nach AZ-Informationen, die mehrere Quellen gestern Abend bestätigt haben, aber um keinen natürlichen Tod gehandelt haben. War es Selbstmord?
„Ich kannte Manfred Amerell sehr gut und habe erst vor kurzem noch mit ihm telefoniert – er hat die Affäre mit Michael Kempter und die Folgen nie überwunden, er konnte die Geschichte nicht abhaken, das hat ihn verfolgt“, sagte der Münchner TV-Reporter Uli Köhler bei Sky Sport News HD, „er wollte immer rehabilitiert werden. Er hat nie völlig Recht bekommen, dass er zu Unrecht beschuldigt wurde. Er war ein komplett getroffener Mann, er hat das nicht verkraftet.“
Nachdem der DFB behauptet hatte, Amerell habe sich dem jungen Schiedsrichter Kempter, den er betreute, gegen dessen Willen mit sexuellen Absichten genähert, war es seit 2010 zu mehreren juristischen Auseinandersetzungen mit dem DFB gekommen. Vor allem dessen Ex-Präsident Theo Zwanziger trat öffentlich gegen Amerell auf und unterstützte Michael Kempter in der These, Amerell habe diesen zu sexuellen Handlungen genötigt. Amerell dagegen sprach immer von einvernehmlichen Sex. Die Gerichte konnten Amerell nicht vom Vorwurf des Amtsmissbrauches freisprechen. Er scheiterte mit einer Unterlassungserklärung gegen Zwanziger; sein Gerichtsstreit mit Kempter, von dem er 150000 Euro Schadenersatz gefordert hatte, endete mit einem Vergleich.
„Manfred Amerell hat mich erst am letzten Freitag angerufen, weil er die Geschichte neu aufrollen wollte“, erzählte Sky-Mann Uli Köhler in „Sky News HD“, „er fühlte sich als Opfer einer Hetzkampagne, er war besessen davon, alle zur Rechenschaft zu ziehen.“
Im April dieses Jahres hatte Amerell mit Blick auf die Auseinandersetzung gesagt: „Seit 2010 lebe ich nicht mehr, ich existiere nur noch.“ Sky-Reporter Uli Köhler erklärte gestern Abend, ihm gegenüber habe Amerell das noch deutlicher ausgedrückt. „Er war innerlich zerrissen. Mir hat er einmal gesagt, er wisse nicht, wie er das alles überstehen solle – er sagte, gedanklich habe er schon mehrfach an der Bahnsteigkante gestanden.“