Das geklaute Tor von Donezk

Nach dem regulären Treffer der Ukraine, den die Offiziellen nicht anerkannten, wird wieder über die Technik im Fußball debattiert.
von  Christoph Landsgesell

Nach dem regulären Treffer der Ukraine, den die Offiziellen nicht anerkannten, wird wieder über die Technik im Fußball debattiert.

 

Der Ball ist drin. Aus 15 Metern zieht der ukrainische Stürmer Marko Devic in der 62. Minute ab. Englands Torhüter Joe Hart wirft sich in den Schuss, die Kugel prallt nach oben ab – und senkt sich in Richtung Tor. John Terry schlägt den Ball in der Luft mit gestrecktem Bein in den Himmel, das Spiel läuft weiter.

Was die Fernsehbilder zeigen: Der Ball ist klar hinter der Linie. Nur: Der Schiedsrichter hat das nicht gesehen, und der Torrichter, der wenige Meter vom Geschehen entfernt stand, auch nicht. Co-Gastgeber Ukraine ist nun raus aus dem Turnier – und fühlt sich um das verwehrte Tor betrogen, das die Debatte um die Torlinientechnik wieder neu entfacht. Die AZ beantwortet die wichtigsten Fragen zum ersten Skandal dieser EM.

Wie reagieren die Beteiligten? Ukraines Trainer Oleg Blochin tobte. „Was soll ich dazu sagen?! Wir haben inzwischen fünf Schiedsrichter auf dem Feld, und der Ball war 50 Zentimeter hinter der Torlinie. Das hat die Mannschaft nicht verdient. Alle haben es gesehen. Die Schiedsrichter haben einen Riesenfehler gemacht. Ich bin sehr enttäuscht. Wir hätten das Weiterkommen verdient.“ Englands Coach Roy Hodgson: „Das Wichtigste war, wie großartig John Terry diesen Ball von der Linie gekratzt hat. Selbst in der Zeitlupe kann man es ja nur schwer sehen. Naja, und wenn er über der Linie war – was er vermutlich war – dann hatten wir eben ein Scheibchen Glück.“

Was sagen die Verbände? Boss Sepp Blatter fordert nun vehement die Einführung technischer Hilfsmittel: „Nach dem Spiel der vergangenen Nacht ist die Torlinien-Technologie keine Alternative mehr, sondern eine Notwendigkeit“, teilte er über den Kurznachrichtendienst Twitter mit. Uefa-Boss Michel Platini dagegen ist anderer Meinung: „Ich bin gegen Technik im Fußball. Es ist immer besser, Menschen einzusetzen, die Situationen bewerten können. Mit Extra-Schiedsrichtern fallen einfach mehr Dinge auf. Zu fünft sehen sie alles. Man braucht solche Systeme nicht, Technik, Satellit, GPS oder Chip im Ball.“

Was meinen die Profis? Englands Keeper Joe Hart, der den Ball entscheidend abfälschte, äußerte sich nicht: „Das sind Tatsachenentscheidungen.“ Die deutschen Nationalspieler Sami Khedira und Thomas Müller sprechen sich nach dem Torklau beim EM-Ausscheiden der Ukraine für die Einführung von technischen Hilfsmitteln. „Schaden würde das nicht“, sagte Khedira. „Grundsätzlich sind technische Hilfsmittel richtig und wichtig“, ergänzte auch Müller. „Ich bin mir nicht ganz sicher, was die richtigen Maßnahmen sind. Aus Fansicht ist es schon schön, zu diskutieren, aus Spielersicht ist so etwas bitter. Solange wir Menschen sind, können Fehler passieren.“

Wie könnte es funktionieren? Allein ein Chip im Ball ist nicht genug. Im Tor müssen Sensoren installiert werden, die anzeigen, ob der Ball in vollem Umfang die Linie überschritten hat. Die Regelhüter des International Board des Weltverbandes Fifa werden unmittelbar im Anschluss an die EM am 5. Juli in Zürich über die Torlinien-Technik diskutieren und möglicherweise auch schon entscheiden. Anfang März hatten sich die Regelhüter „im Prinzip“ auf die Einführung der Torlinientechnik geeinigt. Die Technik könnte bereits bei der Klub-WM in Japan im Dezember und beim Confederations Cup 2013 in Brasilien zum Einsatz kommen. „Wir wollen das System zur WM 2014 etabliert haben“, sagte damals Fifa-Generalsekretär Jerome Valcke.[

 

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