Das Denkmal Schaaf ist gestürzt
Bremen - Was bleibt? Immerhin ein Refugium. Seit seiner Zeit als Spieler bewohnt Thomas Schaaf mit Frau Astrid jenen Bungalow in Brinkum, der von hohen Hecken umgeben ist. Dahinter liegen Wiesen, zwischen denen der Familienvater gern auf dem Rennrad fährt. Jener Mann, der seit Mittwochmorgen kein Bundesliga-Trainer mehr ist.
Um 10.05 Uhr verschickte der SV Werder jene Pressemitteilung, die die Trennung von einem verkündete, der seit 1972 dem Verein angehört. Erstliga-Coach seit fast 14 Jahren – das hat noch nie jemand in 50 Jahren Bundesliga geschafft. Warum stürzt solch ein Denkmal? „Wir haben unsere sportliche Entwicklung analysiert und sind zu dem Schluss gekommen, dass wir einen Neuanfang wagen wollen”, teilte Geschäftsführer Thomas Eichin auf der Pressekonferenz mit. In dem Mediensaal des Weserstadions, wo Schaaf am Samstag nach dem 1:1 gegen Eintracht Frankfurt so missmutig gesessen hatte, als sei nicht der Klassenerhalt vollbracht, sondern der Abstieg besiegelt, nahm der 52-Jährige schon nicht mehr teil. Indiz, dass es doch zu eher unschönen Scheidung kam, so oft auch Eichin betonte, man habe das „professionell und harmonisch” gelöst. Dass Schaafs Vertrag bis 2014 läuft, werde „werder-like” geregelt; sprich eine Abfindung gezahlt.
Nach dem Gespräch mit der Geschäftsführung mit Vorstandschef Klaus Filbry, Klaus-Dieter Fischer und Eichin zog der Fußballlehrer einen Schlussstrich: Mit der Verabschiedung von den Spielern beendete er sofort seine Tätigkeit. „Das war ein Moment, der unter die Haut geht”, sagte Werder-Kapitän Clemens Fritz. Schaafs Co-Trainer Wolfgang Rolff und Matthias Hönerbach haben zum Saison-Kehraus beim 1. FC Nürnberg die Verantwortung. Schaaf wollte das „nicht mehr machen”, so Eichin.
Den Daumen senkte schlussendlich im Zusammenwirken mit Aufsichtsratschef Willi Lemke wohl Vereinspräsident Fischer – ohne die graue Eminenz wird keine Personalie abgesegnet. Der 72-Jährige machte aus dem Spieler Schaaf überhaupt den Trainer, indem er ihn einst für eine Gehaltserhöhung von wenigen hundert Mark in die Pflicht nahm, nebenbei eine Jugendmannschaft zu betreuen. Seit seiner Beförderung von den Amateuren 1999 befehligte Schaaf 644-mal die Profis.
Er schaffte es, dem Bremer Erlebnisfußball eine Identität zu geben. Stars wurden an der Weser entwickelt, wo um Strategen und Künstler wie Johann Micoud, Diego und Mesut Özil stilbildende Teams begeisternde Spiele boten. Gleich am Anfang gewann Bremen unter Schaafs Führung den DFB-Pokal, das Double 2004 leitete eine Hochphase mit insgesamt sechs Champions-League-Teilnahmen ein. Doch das Gebilde wurde in dieser Ära eben auch sportlich größer als der Standort wirtschaftlich sein konnte.
Den Klub stellt die Trennung vor eine Zeitenwende: Mit Kevin de Bruyne und Sokratis wird Werder seine besten Kräfte verlieren. Wer diesen mittelmäßigen Kader befehligt, wird eine schwierige Entscheidung für Eichin. Die Vorgabe: „Es wird ein Trainer von außen kommen, einer, der hier nicht jeden Stein kennt.” Namen wie Mehmet Scholl, Holger Stanislawski, Ralph Hasenhüttel und Norbert Meier stehen im Raum.
Die Führungskräfte Fischer und Lemke wissen noch, wie schwer es Aad de Mos oder Dixie Dörner als unmittelbare Erben eines Otto Rehhagel hatten. Das Problem des Thomas Schaaf ist das nicht mehr. Er zieht sich zurück. Nach Brinkum, wo nicht einmal alle Nachbarn genau wissen, wie dieser Mann hinter den hohen Hecken wirklich tickt.