Das böse Foul der Zocker
200 Spiele sollen manipuliert worden sein, davon 32 in Deutschland. Eine Wett-Mafia erbeutete so Millionen. Es gibt 200 Tatverdächtige. Die Spur führt zu den Drahtziehern des Hoyzer-Skandals
Europas Fußball wird vom größten Wettskandal seiner Geschichte erschüttert. Eine Wett-Mafia hat in diesem Jahr mindestens 200 Spiele manipuliert, davon 32 in Deutschland. Zu der Bande gehören 200 Tatverdächtige. Zwei von ihnen sind alte Bekannte: die in Deutschland lebenden Kroaten Ante und Milan Sapina. Sie wurden am Donnerstag verhaftet.
Die Brüder waren vor fünf Jahren in den Skandal um den Schiedsrichter Robert Hoyzer verwickelt. Beide wurden später verurteilt, Ante Sapina musste sogar ins Gefängnis – wie Hoyzer (siehe unten).
Wieder ist es die Gier nach den Wett-Milliarden, die die Täter antreibt: Nach Schätzungen von Experten beim Fußball-Weltverband Fifa nehmen Kriminelle weltweit bis zu 270 Milliarden Euro mit illegalen Wetten ein. Die Deutschen verzocken jährlich eine Milliarde mit Sportwetten.
Die Ermittler waren den Tätern auf die Spur gekommen, als sie in einem anderen Manipulationsverfahren die Telefone von Verdächtigen abhörten. Wie die Staatsanwaltschaft Bochum am Freitag mitteilte, hätten die Verdächtigen über Spiele gesprochen, die sie manipulieren wollten. Auch die Summen, mit denen Trainer, Spieler und Schiedsrichter bestochen werden sollten, hörten die Ermittler mit.
Am vergangenen Donnerstag schlugen die Behörden zu: 300 Beamte führten über 50 Durchsuchungen in Deutschland, der Schweiz, Österreich und Großbritannien durch. In Deutschland fanden die Durchsuchungen in Berlin, Nürnberg und im Ruhrgebiet statt. Ergebnis der Aktion: 15 Festnahmen in Deutschland, zwei weitere in der Schweiz. Außerdem stellten die Fahnder einen Teil der Beute sicher: eine Million Euro. Die Polizei schätzt die Beute jedoch viel höher: Zehn Millionen Euro hätten die Wett-Betrüger mindestens eingenommen. „Das ist aber nur die Spitze des Eisbergs. Die tatsächlichen Volumina liegen viel höher.“
In Deutschland wurden vier Spiele der 2. Bundesliga, drei Spiele der 3. Liga, 18 Regionalliga-Partien, fünf Oberliga-Spiele sowie zwei U19-Spiele manipuliert. Die Bande schob auch Spiele in der Türkei, Belgien, der Schweiz, Kroatien, Österreich und Ungarn. Dort wurden teilweise Spiele der ersten Liga geschoben. Auch in den höchsten europäischen Spielklassen gab es Unregelmäßigkeiten: Die Ermittler sprechen von drei Champions-League-Spielen und zwölf Spielen der neuen UEFA Europa League. Konkrete Spiele wollen die Ermittler noch nicht nennen. Auch Namen von Verdächtigen geben sie nicht preis.
Nach einem Bericht der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ hat die Mafia Spieler des VfL Osnabrück bestochen: Die Fußballer sollen dafür gesorgt haben, dass ihre Mannschaft die Auswärtsspiele beim FC Augsburg und beim 1. FC Nürnberg verlor (siehe Infokasten). Auch Fußballer des Regionalligisten SSV Ulm sollen geschmiert worden sein.
Das System der Wettmafia funktionierte so: Die Chefs traten an Trainer, Spieler, Vereinsvertreter und Schiedsrichter heran und boten Geld für geschobene Spiele. Nicht nur für Wunschergebnisse kann man Geld erzocken. Mittlerweile hat das Wettgeschäft die irrsten Auswüchse: Man kann darauf wetten, wann welches Team einen Freistoß oder einen Eckball bekommt. Und genau hierbei kann ein geschmierter Spieler behilflich sein. Die Kriminellen setzten in asiatischen und europäischen Wettbüros hohe Summen. Der Plan ging nicht immer auf, die Ermittler schätzen die Erfolgswahrscheinlichkeit auf 50 Prozent. Ein Geschäft, das sich lohnte, wenn man an den Umsatz von mindestens zehn Millionen denkt.
„Das ist zweifellos der größte Betrugsskandal, den es im europäischen Fußball jemals gegeben hat“, sagte Peter Limacher von der Uefa. „Wir sind zutiefst betroffen.“ Die Uefa hatte bei den Ermittlungen mit den Fahndern zusammengearbeitet. Der Fußball-Verband will jetzt dafür sorgen, dass die verwickelten Spieler, Schiedsrichter und Funktionäre bestraft werden.
Volker ter Haseborg