Dänemark wird Europameister: Das Dynamit-Märchen
Gerade mal 32 Jahre jung war Joachim Löw damals und ließ seine Spielerkarriere in der Schweiz ausklingen. Im Sommer 1992 verließ er den FC Schaffhausen, wechselte für zwei Jahre zum FC Winterthur im Kanton Zürich. Die Trainerlaufbahn war noch weit weg. Dass er einmal Nationaltrainer werden würde – ein Hirngespinst.
Und so verfolgte Löw am Fernsehen ein dänisches Märchen, wie es Hans Christian Andersen nicht besser hätte schreiben können: den sensationellen Siegeszug der dänischen Nationalelf bei der EM 1992 in Schweden. "Das war damals eine wunderschöne Geschichte. Die dänischen Spieler sind von den unterschiedlichsten Stränden der Welt weggeholt worden, auch wenn ich nicht weiß, ob diese Geschichte so komplett stimmt", sagte Löw am Montagnachmittag in Kopenhagen.
Wie immer ist es halb Dichtung, halb Wahrheit. Tatsächlich hatten zahlreiche dänische Spieler zu diesem Zeitpunkt bereits ihren Urlaub gebucht oder wälzten die Kataloge. "Dennoch", betont Torhüter Peter Schmeichel, "standen wir alle noch voll im Saft. Am 30. Mai, beim Mittagessen vor der zweiten Trainingseinheit, erfuhren wir dann, dass wir wohl bei der EM für Jugoslawien starten werden." Und tatsächlich: Während der Vorbereitung auf eine Begegnung gegen den EM-Teilnehmer GUS erfuhren die Dänen, dass sie für Jugoslawien nachrücken würden. Die UN hatten bereits Sanktionen gegen das Land verhängt, nun schloss die Uefa die Jugoslawen von der EM aus.
"Mental waren wir bereits im Urlaub"
"Mental waren wir bereits im Urlaub", erzählt Schmeichel. Trainer Richard Møller Nielsen bastelte um Schmeichel, Kapitän Lars Olsen und Brian Laudrup seinen Kader zusammen. Am Ende des zweiwöchigen Siegeszuges durch Schweden stand der EM-Titel, mit dem 2:0 im Finale von Göteborg gegen das DFB-Team. An das 25-jährige Jubiläum soll mit dem Testspiel an diesem Dienstagabend in Kopenhagen (bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch nicht angepfiffen) erinnert werden.
Der damalige Bundestrainer Berti Vogts reagiert immer noch gereizt auf die Anekdoten rund um "Danish Dynamite" von 1992. "Natürlich waren die Außenseiter, aber wie die Medien das dargestellt haben, das war lächerlich. Dänemark war für Jugoslawien nachnominiert worden, aber es war ja keineswegs so, dass die in Badelatschen vom Strand kamen und so ins Finale einzogen", sagte Vogts.
Nur von Pommes und Burger? Ein Märchen
Dass die Dänen sich nur von Pommes und Burgern ernährten, stimmt natürlich nicht. Aber einmal waren sie tatsächlich bei der Fastfood-Kette. "Nach dem Halbfinal-Sieg gegen Holland im Elfmeterschießen hat unser Trainer gemerkt, dass wir Lust darauf hatten", erzählt der ehemalige BVB-Profi Flemming Povlsen sueddeutsche.de und erinnert sich an die Skeptiker im Team: "Klar, gab es auch zwei, drei Spieler, die meinten: Das können wir nicht machen, ist doch albern! Aber dem Rest war’s gerade recht. Also haben wir uns einige Burger reingehauen. Das war Dänemark wie es leibt und lebt."
Nach dem Titelgewinn herrschte in Dänemark Ausnahmezustand (Povlsen: "Auf den Straßen hunderttausende Menschen von Null bis Hundert – unvergesslich!"), in Deutschland dagegen Katzenjammer. "Die Niederlage hat uns viel Häme und Spott in der Heimat eingebracht", erzählt DFB-Torjäger Karlheinz Riedle. "Mein Gott, was haben wir uns nach dem verlorenen Finale anhören müssen. Verloren gegen die Big-Mac-Truppe aus Dänemark. Das war ja fast noch das Freundlichste."
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