Cristiano Ronaldos Muskelspielchen

Real Madrids Superstar Cristiano Ronaldo bleibt im Finale blass – in Erinnerung wird sein oberkörperfreier Jubel bleiben.
von  Filippo Cataldo

Lissabon – Das Finale war längst entschieden, durch den kraftvollen Kopfball von Gareth Bale nach Angel di Marías unwiderstehlichem Sturmlauf und nach dem Distanztreffers Marcelos in der Verlängerung. Nur schien das Cristiano Ronaldo keiner gesagt zu haben. In der allerletzten Minute der Verlängerung hatte der Superstar einen Elfmeter herausgeholt gegen Atlético, ihn souverän verwandelt, sich dann das Trikot ausgezogen, um mit nacktem Oberkörper und mit zum Bersten angespannten Muskeln über den Rasen zu sprinten. Ronaldo machte den Balotelli.

Doch was beim Italiener 2012 im EM-Halbfinale gegen Deutschland als spontane und kraftstrotzende Superhelden-Pose durchging – der Stürmer hatte Deutschland damals quasi im Alleingang bezwungen – wirkte bei Ronaldo am Samstag: eher peinlich. Der Portugiese war einer der Schwächeren gewesen auf dem Feld, es war eines seiner schlechteren Spiele in der Champions League. Lange hatte es so ausgesehen, dass sich das über Jahre erarbeitete Vorurteil wieder bewahrheiten würde, dass Ronaldo zwar einer der besten Fußballer des Planeten sein möge, vielleicht sogar der beste, er aber in wirklich wichtigen Schlachten kaum zu gebrauchen sei.

Weil er viel zu selten Held ist in Spielen, in denen Helden benötigt werden, weil er seiner Form, seiner Fortune, dem Moment hinterherrennt. In Lissabon war Ronaldo 120 Minuten eigentlich vor allem durch seinen leidenden Gesichtsausdruck aufgefallen, durch Lamentieren nach verpatzten Chancen seiner Mitspielern und sich selbst. Doch dann machte CR7 doch noch sein Tor und ließ seine Muskeln spielen, wohl auch im Wissen, dass es dieses Bild sein wird, das die Jahre überdauern wird, das man immer mit diesem Finale von Lissabon verbinden wird: der nackte Kraftprotz Ronaldo, der Real nach zwölf Jahren endlich wieder zum Triumph in der Königsklasse führte, der den Klub und die Fans endlich erlöste und die Obsession von der „Décima“, dem zehnten Titel in der Champions League, endlich beendete, der den Traum wahr machte.

Nicht falsch verstehen, Ronaldo hat eine großartige Saison gespielt, er hat einen riesigen Anteil an diesem Triumph, der „Reals Legende noch größer gemacht“ hat, wie „As“ schrieb. 17 Tore erzielte er in dieser Champions-League-Saison, so viele wie keiner vor ihm, gegen Schalke im Achtel-, Dortmund im Viertel- und Bayern im Halbfinale spielte er richtig gut. Doch am Samstag war er einfach schlecht. „Unser Gott ist da, Sergio Ramos“, jubelten die Fans, als die Mannschaft in der Nacht wieder in Madrid eintraf und den Pokal präsentierte. Gott Ramos, der Verteidiger, der erst Bayern mit zwei Kopfballtoren und am Samstag Atlético in der Nachspielzeit mit seinem Ausgleichstor per Kopf das Genick brach. Doch wie der König von Spanien und Portugal zusammen ließ sich Ronaldo feiern.

Für das DFB-Team bedeutet Reals Triumph nichts Gutes – obwohl es in Sami Khedira auch einen Champions-League-Sieger hat. Die Décima dürfte Ronaldos ohnehin grenzenloses Selbstvertrauen in die Sterne katapultiert haben. Am 16. Juni treffen die DFB-Stars bei der WM auf Portugal und König Cristiano. Nicht mal zum Finale. Sondern zum Auftaktspiel. Man darf sich auf einen Nacktjubel einstellen.

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