"Campo Bahia": WG mit Bar - unter falscher Flagge
Bei der Ankunft der Nationalelf im Quartier hängt die Fahne falsch herum – nicht die einzige Panne. Wie Bundestrainer Löw sein Team vorbereitet, wie die Stars im „Campo Bahia“ leben
Santo André - An der Bar, so sagt man, entscheidet sich die Welt. Wichtig is’ aufm Platz? Ja, auch. Aber wichtiger an der Bar. Haben sie, die Nationalspieler: im „Campo Bahia“, ihrem WM-Quartier in Santo André, Bundesstaat Bahia.
Die Bar im Gemeinschaftsraum der Bungalow-Anlage ist eine Zeitreise in die WM-Geschichte. Auf der Installation der Künstler Claus Föttinger und Andreas Gursky sind Bilder großer deutscher Momente frühere Turniere zu sehen – aus den Zeiten Walter, Seeler, Müller, Maier, Matthäus sowie Klinsmann/Bierhoff und Schweinsteiger – alles im legendenbildenden Schwarz-weiß. Auch auf den Lampenschirmen zu illuminierende Historie. Über den Spielern schwebt ein Lichterball. Hier will der DFB-Tross Siege feiern.
Hier hier kommt man aus den auf den 14 zweigeschossige Häusern mit den 65 luxuriösen Wohneinheiten zusammen. Die erste Eindrücke nach 15 Stunden Anreise von Frankfurt via Umsteigen in Salvador de Bahia? Eine Busfahrt entlang des Strandes und dann ab auf die Autofähre. Zehn Minuten braucht man für die Überfahrt über den Rio João de Tiba zum Camp, macht rund 3,30 Euro. Dort gab’s die erste Panne. Der DFB-Mannschaftsbus (Slogan „Ein Land, eine Mannschaft, ein Traum“) setzte auf der anderen Seite des Stromes auf – es gab kein Weiterkommen, erst nach 20 Minuten rangieren. Mehrere hundert Einheimische staunten, winkten, kicherten.
Die Mannschaft hatte man in Kleinbussen verschifft und ins Quartier, in das 15 000 Quadratmeter große Sport- und Natur Resort, gefahren. „Man taucht ein bisschen in eine andere Welt“, sagte Teammanager Oliver Bierhoff. Im Camp hatte man zunächst die Flagge der Gäste falsch herum aufgehängt – das sei entschuldigt in Cabrália, dem Entdeckungsort Brasiliens. Hier ging 1500 der portugiesische Seefahrer Pedro Álvares Cabral an Land.
Nun ist Jogi Löw da. 30 Grad, hohe Luftfeuchtigkeit. Begrüßung, Check-in und schlafen – nur ein paar Stunden bis zum ersten Training. „Wir alle haben diesen Moment immer herbeigesehnt“, sagte der Bundestrainer, „das Kribbeln ist da. Ich bin froh, wenn es endlich losgeht.“ Am Montag in Salvador gegen Portugal.
Im Camp gibt’s Hausmeister. Die Wohngemeinschaften mit je sechs Zimmern sind Neuland für Einzelzimmer-verwöhnte Kicker. Zu den WG-Vorstehern der vier Spieler-Einheiten hat Löw Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger, Miroslav Klose und Per Mertesacker (der Mannschaftsrat!) erkoren. „Diese Konzeption ist super. Es gibt immer wieder Treffpunkte. Das ist perfekt, um etwas Großes zu erreichen“, meinte André Schürrle, glücklich darüber, dass „das Internet funktioniert“. Auch an der Bar.
Am Montag war über die DFB-Security in örtlichen Blättern zu lesen: „Deutschland baut Berliner Mauer in Bahia“. Etwas übertrieben – und das am Tag, als man ein öffentliches Training für die gastgebende Gemeinde ausrichtete. 500 Einheimische kamen. Die DFB-Kicker trugen T-Shirts, auf denen stand: „Feliz por esta aqi“, also "Wir sind sehr glücklich, hier zu sein". Auf der Rückseite: „Obrigado Bahia“– danke, Bahia! Nach dem Training wurde sogar getanzt, die Nationalspieler ließen mit 20 Vertreter der Pataxo-Indianer, die in dem Reservat Monte Pascoal nahe des deutschen Camps beheimatet sind, die Hüften kreisen.
Ein Anfang ist gemacht. Es kann aber noch besser werden.
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