Bremer Angst vor der großen Delle
BREMEN - Die Blamage von Werder Bremen zum Auftakt der Champions League gegen Famagusta deckt viele Mängel auf. Sportchef Klaus Allofs rechnet gnadenlos mit der Mannschaft ab.
Es klang ja schon im Vorfeld nach Verzweiflung. In Zeitungsanzeigen, im Radio und sogar auf der Abschlusspressekonferenz hatte man bei Werder Bremen ziemlich penetrant darauf hingewiesen, dass noch Restkarten für das Champions-League-Heimspiel gegen Anorthosis Famagusta zur Verfügung stehen würden. Vergeblich. Für mehr als 1000 Tickets gab es im Weserstadion keinen Abnehmer, das hat es in den vergangenen fünf Jahren Königsklasse nicht gegeben. Ob das verwöhnte hanseatische Publikum ahnte, dass die Nullnummer gegen die Zyprer zu einem Tiefpunkt der wechselvollen Bremer Champions-League-Historie avancieren würde?
Passend zur Stimmung trat Sportchef Klaus Allofs in schwarzem Anzug, schwarzer Krawatte und schwarzem Hemd in der kühlen Nacht zur Generalabrechnung an. „Zu brav, zu harmlos. Für mich war das nicht ausreichend. Da brauchen wir in Athen oder in Mailand erst gar nicht antreten“, erklärte er, „das war einfach zu wenig. So eine Mannschaft muss man schlagen!“
Allofs, gemeinhin ein Mann des Ausgleiches, wirkte tief enttäuscht, ihm gefiel es auch nicht, dass Wortführer wie Torsten Frings und Per Mertesacker das Versagen schön redeten, indem beide lediglich mit der mangelnden Torausbeute argumentierten.
„Ich habe die Geilheit auf das Tor vermisst“, ärgerte sich Allofs, „wir haben gedacht, Routine und Geduld reicht.“ Das langt vielleicht gegen Cottbus, aber schon Exilkicker von der Mittelmeer-Insel scheinen taktisch-technisch längst besser geschult als der Bundesliga-Letzte. Darum befand Allofs: „Wir müssen messerscharf analysieren, dass es so für die Champions League nicht ausreicht.“
Thomas Schaaf begründete in seinen kargen Ausführungen wechselweise, es habe „der Schuss Entschlossenheit“ oder „die letzte Entschlossenheit“ gefehlt. Grundsätzliche Zweifel – etwa explizit an der Klasse seiner vier eingesetzten Angreifer – ließ der Cheftrainer nicht zu. Dabei ist in Wahrheit die individuelle Mängelliste ziemlich lang; und in Einzelfällen Besorgnis erregend. Schon der Bundesliga-Start – fünf Punkte aus vier Spielen – ist misslungen. Nationalspieler Clemens Fritz („Es war ein Scheißtag“) fehlen seit Wochen Form und Selbstvertrauen, Auswahlkollege Torsten Frings („Uns fehlt der Killerinstinkt“) scheint seit den drei Knieoperationen des Vorjahres ein Großteil der Dynamik abhanden gekommen. Wenn dann die eigentlichen Schwungräder Diego (zu verspielt) oder Daniel Jensen (zu selten präsent) nicht funktionieren, Stürmer wie Markus Rosenberg (glücklos) oder Claudio Pizarro (hilflos) keinen guten Tag erwischen und ihre Vertreter Boubacar Sanogo oder Hugo Almeida nur wie Karikaturen wirken, dann ist der Lohn der Dominanz (65 Prozent Ballbesitz, 19:5 Torschüsse) halt nur lächerlich.
Skeptiker und Schwarzmaler beschleicht das lähmende Gefühl, diese Saison der Ära Schaaf – der im Mai 2009 sein zehnjähriges Dienstjubiläum feiert – könnte zur großen Delle werden. Gemach, gemach, antwortet Allofs. „Wir können und werden viel besser spielen.“ Am besten schon am Samstag beim FC Bayern, glaubt der Rheinländer, „wird es ganz anders“.
Vielleicht wird auch die Formation ganz anders aussehen: Erster Streichkandidat scheint neben Fritz ausgerechnet Pizarro zu sein, der bisweilen noch wie ein Fremdkörper an alter Werder-Wirkungsstätte wirkt und an dem nicht nur der Sportchef kritisiert, dass „Sicherheit und Automatismen fehlen“. Allofs: „Wir erwarten hier mehr. Von jedem Einzelnen." Frank Hellmann