Blatter bringt Reformen durch – Leises Murren aus Europa

Der Reformkongress der FIFA auf Mauritius brachte keine große Überraschung. Die Delegierten folgten mit klarer Mehrheit den Ideen von Präsident Blatter. Aber aus Europa regt sich Widerstand gegen einen Beschluss.
dpa |
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Port Louis/Berlin – Eine Meuterei wollte Wolfgang Niersbach sicherlich nicht anzetteln. Aber einfach so hinnehmen konnte der DFB-Präsident die Verzögerung des Reformprogramms der FIFA auch nicht. Als Wortführer der Opposition aus Europa monierte Niersbach am Freitag beim Kongress des Fußball-Weltverbandes auf Mauritius die Verschiebung der Entscheidung über eine Amtszeitbeschränkung und eine Altersgrenze für mächtige FIFA-Funktionäre bis 2014.

„Es wäre ein gutes Signal für die Öffentlichkeit gewesen, wenn wir über einen Vorschlag abgestimmt hätten“, sagte der DFB-Boss und erntete für seine leise Kritik von FIFA-Präsident Joseph Blatter auf der Kongress-Kommandobrücke ein süßsaures Lächeln.

Von den freundlichen Kongress-Gastgebern hatte Blatter als Präsent ein überdimensionales Modell-Segelschiff erhalten – das war mehr nach seinem Geschmack. Wie in rauer See hatte sich der Schweizer in den vergangenen Monaten gefühlt. Umso größer war die Erleichterung, als sein oft kritisiertes Reformprogramm von den 207 stimmberechtigten Delegierten am Freitag ohne großes Murren akzeptiert wurde. Den Widerstand aus Europa zu einem Programmpunkt konnte der Schweizer gerade noch ertragen.

„Wir haben schwierige Zeiten hinter uns. Es war eine Prüfung für die Fußballwelt und ihre Führer. Als Euer Kapitän bin ich glücklich zu sagen, wir haben den Sturm überstanden. Wir sind aus stürmischen Gewässern gestärkt hervorgegangen und können einer guten und produktiven Zukunft entgegensehen“, sagte Blatter schon in seiner Begrüßungsrede. Am Ende der achteinhalbstündigen Tagung verabschiedete er sich mit den Worten: „Ich bin stolz darauf, ihr Kapitän zu sein. Wir haben die Seriosität der FIFA bestätigt und ein starkes Signal an alle Anhänger des Fußballs gesendet.“

Das dürften die Kritiker anders wahrgenommen haben. Gegen den Widerstand aus Deutschland und Europa votierten die Delegierten mit 123:16-Stimmen dafür, erst beim nächsten Treffen des Gremiums in Sao Paulo über ein Alterslimit und eine Amtszeitbeschränkung seiner mächtigen Funktionäre zu entscheiden. „Wir werden das Problem angehen“, versprach Blatter.

Andere Punkte der Reform wurden komplett ohne Widerspruch verabschiedet. Die Einführung eines Integritätschecks für alle Mandatsträger wurde mit 198:2 Stimmen beschlossen. Zudem wird künftig der Kongress und nicht mehr das Exekutivkomitee die WM-Gastgeber bestimmen.

Das deutsche FIFA-Exekutivmitglied Theo Zwanziger hatte zuvor mit einer leidenschaftlichen wie ausschweifenden Rede für diese von ihm mitentworfenen Vorschläge geworben. Blatter hatte den Kongress aufgefordert, den Änderungen in den FIFA-Statuten zuzustimmen. Der Schweizer gestand ein, dass der Weltverband durch die diversen Korruptionsskandale eine schwere Zeit zu überstehen hatte.

„Es wäre gelogen zu sagen, dass es einfach war. Ja, wir mussten uns selbst hinterfragen. Und wir mussten für das Wohlergehen des Spiels gegen Widerstände in unseren eigenen Reihen kämpfen. Das hat geschmerzt“, sagte Blatter.

In der im Zuge des seit 2011 laufenden Reformprozesses erneuerten Ethikkommission wurden der Deutsche Hans-Joachim Eckert und der Amerikaner Michael Garcia als Vorsitzende der rechtssprechenden und ermittelnden Kammer bestätigt. Als erste Frau wurde Lydia Nsekera aus Burundi in das FIFA-Exekutivkomitee aufgenommen. Moya Dodd aus Australien und Sonia Bien-Aime von den Turks- und Caicosinseln gehören dem Gremium als kooptierte Mitglieder an.

Von internationalen Anti-Korruptionsexperten wurde der nach den Skandalen um die WM-Vergabe 2022 an Katar und Vorwürfen gegen bestechliche FIFA-Funktionäre eingeleitete Reformprozess immer wieder als unzureichend kritisiert. Der angesehene Schweizer Rechtsprofessor Mark Pieth, der den Prozess als Vorsitzender des Independent Governance Comittees begleitet hat, lobte die FIFA für ihre Bemühungen, äußerte aber auch kritische Worte.

Den Integritätscheck durch die Kontinentalverbände ausführen zu lassen, entspreche nicht den gängigen Standards. Auch müsste die FIFA sich bei der Offenlegung der Vergütung ihrer Funktionäre noch bewegen. Manche Themen seien wegen „politischer Entscheidungen“ nicht umgesetzt worden.

Schon vor seiner offiziellen Rede äußerte sich Pieth zu den diffizilen Themen Alterslimit und Amtszeitbegrenzung und sprach damit den Reformmotoren Niersbach und Zwanziger sicher aus den Herzen. „Für mich ist die Altersgrenze nicht so wichtig. Wenn sie sich entscheiden, einen 80-Jährigen den Sport junger Menschen leiten zu lassen, ist das ein bisschen merkwürdig. Aber die Amtszeitbeschränkung ist wichtiger. Es ist logisch zu sagen, dass man kein Netzwerk von alten Jungs haben will, die sich über einen Zeitraum von 30 Jahren einrichten“, sagte Pieth.

Zu diesem Thema konnte aber vorab keine mehrheitsfähige Formulierung gefunden werden – daher die Verschiebung. Blatter sieht die FIFA dennoch schon jetzt in einer führenden Rolle bei der demokratischen Entwicklung großer Sportverbände: „Das sind umfassende und harte Reformen, die unsere Organisation zum Besseren entwickeln und die FIFA zu einem Vorkämpfer in der Welt des Sports machen.“

 

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