Bitterer Triumph im Norden

Weil Diego gesperrt und Per Mertesacker verletzt sind, jubelt Uefa-Cup-Finalist Werder Bremen nur verhalten.
HAMBURG Der Tag danach. Die Aufgeregtheit in Bremen hält an. Thomas Schaaf wartet vor dem Podium im Mediensaal des Weserstadions. Ein Sprecher eines Nachrichtensenders hält die ominöse Papierkugel aus Hamburg in der Hand. Übergabe des corpus delicti an Schaaf. Der sagt, die Papierkugel sei nicht wirklich wichtig gewesen und verkündet irgendwann eine echte Nachricht: Bänderriss bei Per Mertesacker. Sein Knöchel sei faustdick geschwollen, auf Krücken humpelte er aus der Kabine. Doch Schaaf mag nicht jammern in diesen Jubeltagen. Er kehrt zwar Gelassenheit nach außen, aber nach innen platzt er vor Stolz, „auch wenn wir noch nix zum Festhalten haben".
Zweimal den Spielverderber für den Hamburger SV zu mimen, erst das Uefa-Cup-Finale gegen Schachtjor Donezk in Istanbul (20. Mai), dann das DFB-Pokal-Endspiel gegen Bayer Leverkusen in Berlin (30. Mai) bestreiten zu dürfen, gibt dieser wankelmütigen Spielzeit einen eigenwilligen Glanz. „Wir wollen jetzt die Pötte holen", hatte Tim Wiese nach dem 3:2 in einem verrückten Europapokalspiel ausgerufen, und der Torwart titulierte die Hamburger Arena gleich mal als "unser Stadion, mein Stadion".
„Es ist sensationell, was wir diese Saison geschafft haben", bilanzierte Vorstandschef Klaus Allofs, „die Mannschaft hat großes Potenzial." Das ist ein bisschen geflunkert, denn besagte Qualität ist im Grunde auf Diego und Pizarro beschränkt. Ersterer liefert täglichen Stoff für Geschichten.
Eines der letzten Werder-Kapitel des Brasilianers, dessen Wechsel zu Juventus Turin wohl auch von Bremer Seite bald bestätigt wird, ist indes eine kleine Tragödie. Wieder einmal spielte der 24-Jährige überragend, schoss sein 20. Pflichtspieltor, aber ausgerechnet ein Scharmützel mit Alex Silva hat für den Bald-Star der Serie A böse Folgen: Der Hauptdarsteller sitzt gesperrt unter den Zuschauern, wenn am Bosporus auf die Bühne gebeten wird. Allofs schimpfte: „Eine Katastrophe für die Mannschaft, für den Spieler. Es ist unmöglich, da eine Kollektivstrafe auszusprechen." Ebenfalls wegen der dritten gelben Karte wird Hugo Almeida fehlen.
Wie am Sonntag das vierte Nordderby binnen 19 Tagen endet, ist aus Bremer Sicht egal. Für den HSV könnte der 10. Mai gar zum Verfallsdatum aller weiteren Berechtigungen für internationale Spiele werden. Der HSV-Vorstandschef Bernd Hoffmann bekannte, von den Nordderbys „die Nase voll" zu haben.
Immerhin: Bei Hamburgs erneut überrragendem Stürmer Ivica Olic, der im Sommer zum FC Bayern wechselt, bestätigte sich der Verdacht auf Kreuzbandriss nicht. Er erlitt lediglich eine Prellung im Knie und wird wohl nur im nächsten Spiel fehlen. „Ohne Titel gehe ich nicht weg aus Hamburg", hatte der 29-Jährige beteuert. Tja, das könnte jetzt allerdings knapp werden.
Frank Hellmann