Birgit Prinz: „Wäre ich lockerer, hätte ich’s leichter“
Die Rekordspielerin des DFB trifft nicht mehr. Nun hadert sie mit den Medien und sich selbst.
TAMPERE Birgit Prinz (31) steht mit der Nationalmannschaft bei der EM im Viertelfinale gegen Italien (Freitag, 15 Uhr, live im ZDF und bei Eurosport). Die Rekordspielerin mit 195 Länderspielen und 123 Toren, dreimal zur Weltfußballerin gewählt, hat in Finnland selbst noch nicht getroffen. Im AZ-Interview spricht sie über ihre Krise, die Ursachen und die Gedanken ans Karriereende.
AZ: Zehn Tore hat Ihr Team in der Vorrunde geschossen, Sie selbst trafen bislang nicht. Woran lag’s, Frau Prinz?
BIRGIT PRINZ: Gegen Norwegen hätte ich ein Tor machen müssen, gegen Frankreich passte das Timing nicht. Nach meiner Verletzung im April habe ich noch nicht viel Spielpraxis. Manchmal läuft es einfach nicht, wie es sollte.
Würde mit einem Tor der Knoten platzen?
Mir geht es ehrlich gesagt auf den Nerv, dass die Diskussion schon losgeht. Ich habe dann das Gefühl, mich rechtfertigen zu müssen. Das ist einfach extrem anstrengend. Ich fange auch auf dem Spielfeld an, noch mehr darüber nachzudenken, so dass es mich noch mehr hemmt. Sicher läuft es leichter, wenn man einmal getroffen hat.
Sie denken im Spiel darüber nach, dass Sie kritisiert werden, weil Sie nicht treffen?
Ja, wenn zwei, drei Aktionen nicht geklappt haben, kommt es vor.
Würden Sie einen Pass zu einer besser postierten Mitspielerin nicht schlagen, weil Sie selbst versuchen müssen, endlich ein Tor zu erzwingen?
Das ist völlig gegen meine Fußball-Philosophie, weil mir einfach der Erfolg mit der Mannschaft unheimlich wichtig ist. Ich will für das Team spielen und nicht dafür, dass mich Journalisten nicht mehr fragen, warum ich nicht treffe.
Fragen denn nicht auch Mitspielerinnen danach?
Meine Mitspielerinnen sind süß. Sie unterstützen mich und sehen das nicht als so problematisch an. Es ist ja auch nicht so, dass ich an gar keiner Toraktion mehr beteiligt bin. Wenn ich völlig grottig wäre, dann wäre es kritisch. Es ist einfach so, dass ich den Journalisten kollektiv die Schuld gebe. Ich fühle mich so angegriffen, dass ich überhaupt nicht mehr sagen kann, mein Ziel ist die WM 2011. Aus dem Team kommt keine Kritik.
Bei den männlichen Nationalstürmern werden doch auch die Minuten ohne Tor gezählt. Das gehört doch praktisch zum Stürmerleben.
Vom Kopf her weiß ich das. Ich weiß auch, dass die Medien so funktionieren. Das ist alles schwarz und weiß. Ich bin jetzt auch auf der schwarzen Seite. Aber klar: Wenn ich nicht ganz zufrieden bin, was ich mache, dann bin ich natürlich auch empfänglicher für die Kritik.
Sie binden auch viele Gegenspielerinnen, das schafft den anderen Freiräume. Ist das kein Trost für Sie?
Im Spiel sehe ich das nicht so. Aber es wird mir gesagt. Ich frage mich, ob das eine Ausrede ist oder die Realität. Da schwanke ich immer. Die kritische, skeptische Seite ist einfach ein Teil von mir.
Müsste die kritische Seite weg sein, um wieder richtig erfolgreich zu sein?
Wenn es so wäre, würde es mir das Leben erleichtern. Wenn ich ein bisschen lockerer würde.
Das wird wohl Ihre letzte EM sein. Denken Sie manchmal daran?
In manchen Momenten. Beim Spazierengehen oder direkt vor dem Spiel. Wenn es im Spiel passieren würde, dann wäre es echt bitter, dann wäre ich mit meinen Gedanken zu weit vom Spiel weg.
Hilft Ihnen denn auch Arno Schimpf, der Psychologe im Team?
Nein, das Ding ist ja, dass ich die Situation vom Kopf her klar habe. Soweit, dass ich eine Therapie brauche, bin ich noch nicht. Ich habe meine Leute, mit denen ich darüber rede. Wenn ich es ausgesprochen habe, dann ist es anders, als wenn ich um mich kreisend, es nur denke.“
Insofern war das jetzt ein helfendes Gespräch.
Genau, ich bin eigentlich auch dankbar.
Interview: Gregor Derichs
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