Bierhoff stutzt Lahm zurecht: „Ballack ist Kapitän“
Das Vorpreschen des WM-Spielführers, offenbar mit dem Mannschaftsrat abgestimmt, irritiert nicht nur den Team-Manager. Hier diskutieren Experten die K-Frage – von Matthäus bis Breitner.
DURBAN Die Zurechtweisung ließ nicht lange auf sich warten. Zu sehr klangen die öffentlich vorgetragenen Ansprüche von Philipp Lahm aufs Kapitänsamt wie eine veritable Palastrevolution. Gegen Michael Ballack, womöglich auch gegen das restliche DFB-Establishment. DFB-Teammanager Oliver Bierhoff nahm sich Lahm am Dienstag also zur Brust: „Der Zeitpunkt war unglücklich. Dieses Thema darf jetzt vor dem Halbfinal-Spiel keine Rolle spielen“, erklärte er. Und überhaupt: „Philipp Lahm ist der WM-Kapitän und Michael Ballack ist der Kapitän“, stellte er klar. Jetzt dürften nur die kommenden zwei Spiele zählen, „alles andere kommt danach und ist eine Entscheidung des Trainers“, so Bierhoff. Das klang wie: Und damit basta!
Doch Lahm hat mit seinem Vorpreschen am Montag, als er – offenbar nach Rücksprache mit dem Mannschaftsrat – noch vor Ballacks Abreise aus dem WM-Quartier seine Ansprüche aufs Kapitänsamt erklärte, eine Debatte losgelöst. Wie Experten über die K-Frage denken:
Lothar Matthäus, Rekordnationalspieler: „Philipp hat aufgrund seiner Leistung und des Erfolges der Mannschaft das Recht, den Anspruch zu stellen, Kapitän bleiben zu wollen. Es ist nun schwer, für Ballack zurückzukehren. Die Mannschaft funktioniert auch ohne ihn, er passt nicht mehr in dieses Spielsystem, hat das Spiel immer langsam gemacht. Lahm wird die Spieler ganz sicher hinter sich haben. Außerdem ist Ballack in einem gewissen Alter, das sind einfach Gesetzmäßigkeiten – er wird nicht jünger. Vielleicht tut er sich selbst einen Gefallen, wenn er von sich aus zurücktritt und sich auf seine Aufgabe bei Bayer Leverkusen konzentriert.“
Günter Netzer, ARD-Experte: „Ballack hat sehr viel geleistet, und das ist noch nicht zu Ende. Er ist ein erfahrener, großer Spieler. Wenn man immer sagt, der Mannschaft fehlt Erfahrung, dann hat er seinen Platz in der Mannschaft. Aber wenn seine Leistungen nicht stimmen und die Resultate, wird das ganz sicher ein Thema.“
Oliver Kahn, ZDF-Experte: „Wir sollten uns von dem Gedanken verabschieden, dass es Spieler gibt, die unersetzlich sind.“
Ottmar Hitzfeld, Schweizer Nationaltrainer: „Michael Ballack kann jedes Team verstärken. Man muss ihn wieder einbauen. Er ist defensiv zuverlässig, torgefährlich. Wenn es läuft, kann man jeden kompensieren. Wenn nicht, braucht man Erfahrung.“
Guido Buchwald (Weltmeister von 1990): „Die Kapitänsdiskussion wurde zum vollkommen falschen Zeitpunkt losgetreten und das auch noch ohne Grund. Wir stehen direkt vor dem Halbfinale, da sollte man sich wirklich auf den Sport konzentrieren. Ich habe das überhaupt nicht verstanden, denn es lief doch eh alles zu Lahms Gunsten. Die Diskussion wäre irgendwann nach der WM von allein aufgekommen, dann hätten alle gesagt: Gut, der Lahm, der war der Kapitän bei der WM, der hat das super gemacht, warum sollte man was wechseln? Ich hoffe sehr, dass die Diskussion schnell beendet wird, denn so was können wir gar nicht brauchen, das ist mehr als kontraproduktiv. Außerdem: Die Kapitänsfrage entscheidet immer noch der Bundestrainer.“
Katsche Schwarzenbeck, Weltmeister von 1974: „Ich kann die Aussage von Philipp Lahm nur unterstützen. Ich sehe keine andere Lösung, als dass Lahm Kapitän bleibt. Lahm ist auf dem Höhepunkt seiner Karriere, er ist ein Typ, der von der Mannschaft voll akzeptiert ist. Wenn alles gut geht, macht er noch zwei Weltmeisterschaften, Ballack wird die nächste WM sicher nicht mehr mitspielen. Und wenn es ohne Ballack jetzt so gut läuft, das gibt dann schon zu denken. Als Kapitän sehe ich derzeit nur Philipp Lahm.“
Klaus Augenthaler, Weltmeister 1990: „Für mich ist das egal, wer die Binde trägt. Wichtig ist, dass die Mannschaft weiter zusammenwächst. Ich war sieben Jahre Kapitän beim FC Bayern, aber ich habe genauso auf die Stimmen anderer erfahrener Spieler gehört. Wer Kapitän ist, ist nicht entscheidend.“
Paul Breitner, Weltmeister von 1974: „Das interessiert doch im Moment niemanden. Eine Debatte, die keiner braucht."
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