Besser als die Weltmeister
Leverkusens Trainer Jupp Heynckes schwärmt von seinen jungen Spielern. Die Bayer-Offiziellen korrigieren nach dem 3:1 gegen Freiburg und der Verteidigung der Tabellenspitze ihr Saisonziel nach oben, und die Mannschaft will noch mehr
LEVERKUSEN Jupp Heynckes blickte fragend in die Runde. „Seit wann stehen wir da oben? Seit dem zehnten Spieltag?", fragte der Trainer von Bayer Leverkusen. Schon zwei Spielrunden länger, seit dem 8. Spieltag am 3. Oktober, nimmt die Werkself die Topposition der Bundesliga ein. Was Heynckes genauer kennt als die mittlerweile 13 Spieltage anhaltende Bayer-Dominanz, ist die Qualität seines Teams. "Das ist ein Wahnsinn und phantastisch, mit einer solchen Mannschaft zu arbeiten", sagte der 64-Jährige. Wenn Heynckes ins Schwärmen gerät, und das gestattet er sich immer öfter, leuchten seine Augen und die roten Backen werden noch röter. „Als ich 20 war, oder Kalle Rummenigge und die späteren Weltmeister, da haben wir mehr Fehler gemacht als die jungen Spieler wie Reinartz, Kroos, Derdiyok, Schwaab und die anderen." Die Werkskicker – besser als die Weltmeister?
Nach dem 3:1 gegen Freiburg strotzte nicht nur Heynckes vor Begeisterung. „Es geht Richtung Champions League", sagte Rudi Völler. Es war mehr eine Feststellung als eine Prognose, die der Sportdirektor von sich gab. Der Vorsprung auf Platz vier wuchs auf schon acht Punkte. Ein Verpassen des ursprünglichen Ziels, einen Platz in der Europa League zu erreichen, scheint angesichts des 16-Punkte-Polster auf Platz sechs inzwischen unmöglich zu sein. „Wenn man die Tabellenkonstellation sieht, ist es richtig, was Rudi sagt“, befand Heynckes.
Die Rückkehr in die Champions League - das ist das Mindeste, was er und seine Jungen wollen. Nur ganz offen von der ersten Meisterschaft für den Werksverein zu reden, wird noch vermieden. Schließlich trumpfen die Bayern stark auf, die Schalker lassen nicht locker. „Was die anderen Mannschaften machen, interessiert uns nicht", behauptete Heynckes. Sein Team war zum vierten Mal hintereinander nervenstark genug, dem Druck standzuhalten, einen Sieg der Münchner am Freitag oder Samstag am Tag darauf einen eigenen Erfolg anzuschließen. „Ob wir Samstag um halb vier oder um halb sieben, sonntags um halb vier oder um halb sechs spielen müssen – das ist uns egal. Die Truppe ist sehr gut drauf. Wir haben noch Hunger auf mehr", sagte Heynckes.
Neben den Rheinländern ist aus den fünf großen europäischen Ligen nur noch der FC Barcelona ohne Niederlage. Heynckes, der alte Spanien-Experte, kennt die Bilanz von Barca besser als die Verweildauer seiner Truppe auf Platz eins. 16 Siege und vier Remis für den spanischen Topklub sind noch besser als die stolze Ergebnissammlung seiner jungen Truppe. Er selbst nur noch ein Spiel von einem persönlichen Rekord entfernt. Saisonübergreifend ist der Ex-Bayern-Coach nun 26 Bundesligaspiele als Trainer in Serie ungeschlagen. Bei Schalke und Gladbach schied der Coach schwer frustriert aus. Seit seiner Rückkehr aus dem verfrühten Rentnerdasein hat er Spaß wie noch nie an seinem Job.
Die Bayer-Profis reagierten nach der Partie allerdings recht unzufrieden. Vielleicht geht es den Bayer-Profis auch nicht schnell genug, der Titelkampf könnte zu einem langen Rennen werden. „Es bringt uns nichts, wenn wir mal eines Tages sagen können: Wir standen am 19. und 20. Spieltag oben. Wir wollen mehr", sagte Kapitän Friedrich.
Gregor Derichs