Bert Trautmann: Der Tausendsassa
Frankfurt - In Spanien, an der Costa del Azahar nördlich von Valencia, sonnte Bert Trautmann sich in seinem Alterssitz. Deutschland war zwar sein Vater-, England aber immer sein Heimatland gewesen, wo er Karriere machte und zur Legende wurde. Immer wieder wurde der großgewachsene, drahtige Mann mit dem graublonden Haar und dem verwegenen Haudegengesicht zu festlichen Anlässen und Fernsehsendungen auf die Insel eingeladen. Es gab immer wieder Anlass zu seinen runden Geburtstagen, den zusammen mit Toni Turek, Sepp Maier, Harald „Toni“ Schumacher und Oliver Kahn besten deutschen Torhüter aller Zeiten auch hierzulande ins Rampenlicht zu rücken.
Als Manchester City von der berühmten Main Road in das neue städtische Stadion umzog, durfte – ganz selbstverständlich – die Ikone des Klubs bei der Heimpremiere der Premier League natürlich nicht fehlen. Zwei-, dreimal im Jahr flog der Rentner zu Besuch nach Manchester. Was den gebürtigen Bremer zum Helden der Stadt machte, sind seine abenteuerliche Lebensgeschichte und seine Tollkühnheit im Tor:
Vom Kriegsgefangenenlager „Camp 50“ schaffte Trautmann über den Amateurklub FC St. Helens den Aufstieg ins Tor von Manchester City. 1955 stand er mit City im Cup Final von Wembley, dem ältesten Ereignis der Fußballgeschichte. Mit zehn Mann verlor City 1:3 gegen Newcastle United. 1956 wurde der deutsche Teufelskerl als erster Ausländer zum englischen „Fußballer des Jahres“ gewählt und anschließend mit City Cup-Sieger durch ein 3:1 im Finale über Birmingham.
Bei einer im wahrsten Sinne des Wortes halsbrecherischen Rettungstat wurde Trautmann zwanzig Minuten vor Schluss vom Schussbein Peter Murphys mit voller Wucht am Nacken getroffen. Bewusstlos blieb Trautmann liegen. 100000 Zuschauer hielten im Wembley Stadion den Atem an. Doch der eisenharte Deutsche rappelte sich wieder auf, spielte im Unterbewusstein weiter, lief die Ehrenrunde mit, drückte der Queen die Hand, hielt den Cup in den Händen und wusste nicht, dass die Schmerzen im Nacken von einer fast fatalen Verletzung herrührten.
Erst vier Tage später wurde bei einer Röntgenuntersuchung festgestellt: Fünf Halswirbel waren ausgerenkt, der zweite durchgebrochen. Sein Leben hing am seidenen Faden. In einem grotesk aussehenden Gipshelm heilte der Bruch. Sechs Monate später stand der Tausendsassa wieder im Tor.
Erst acht Jahre danach, mit 41, gab Trautmann nach 639 Spielen für Manchester City seinen Abschied in einem rauschenden „Testimonial Match“ an der Maine Road. 47951 Zuschauer, Rekord für ein „Farewell Game“, verabschiedeten ihren Bert, so sein Vorname in England, mit stehenden Ovationen.
Körperlich und geistig war Trautmann noch voll auf der Höhe wie bei seinen letzten „runden“ Geburtstagen. „Es hat sich nichts verändert. Ein, zwei Falten mehr im Gesicht. Das bringt das Alter so mit sich“, sagte er lächelnd. „Einfach nichts tun und eine gewisse Zufriedenheit“ nannte er als Grund für seine erstaunliche Fitness. Der Torhüter war nie ein Mann, der sich in den Vordergrund stellte. Wie auch zuletzt an seinem 85. Geburtstag. „Es wird nicht gefeiert.“ Mit seiner (dritten) Frau Marlies „floh“ er aus seinem Haus am Meer für drei Tage in ein schönes Hotel in der Nähe von Alicante, das sie vor ein paar Jahren entdeckt hatten.
Zu Deutschland, sagt der große alte Mann zuletzt ein bisschen wehmütig, habe er nur noch wenig Kontakt, was aber für einen, der fast sechzig Jahre im Ausland gelebt habe, normal sei. Als Fußball-Entwicklungshelfer im Dienst des DFB hatte der Torwart bis ins Rentenalter als Trainer gearbeitet. Mit Birma schaffte er die Qualifikation für die Olympischen Spiele 1972 in München.
Der Torwart spielte nie für Deutschland, weil Sepp Herberger es ablehnte, den berühmten „Ausländer“ als Nachfolger des Weltmeisters Toni Turek ins Tor zu stellen. Bert, auch Bernd genannt, Trautmann sagt es stets ein wenig traurig: „Einmal wenigstens hätte ich gerne für Deutschland gespielt.“ In Deutschland kein Nationalspieler, in England eine Legende. Am Freitag ist Bert Trautmann im Alter von 89 Jahren in seinem spanischen Wohnsitz La Llosa gestorben