Bei Team Austria geht die Angst um

Island hofft auf die große Sensation, bei den hoch gehandelten Österreichern geht dagegen die Angst vor einer Blamage um, Außenseiter Ungarn geht in der Gruppe F überraschend als Spitzenreiter in den letzten Spieltag am Mittwoch.
Paris - Wer hätte das gedacht? Außenseiter Ungarn trifft in Lyon (18 Uhr/ZDF) als Spitzenreiter der Gruppe F auf die bislang enttäuschenden Portugiesen um Cristiano Ronaldo. EM-Neuling Island kann gegen die mit großen Hoffnungen gestarteten Österreicher in Saint-Denis bei Paris (18 Uhr/Sat.1) den Einzug ins Achtelfinale perfekt machen.
So ist die Ausgangslage für die vier Mannschaften...
1. Ungarn (3:1 Tore, 4 Punkte): Letzter können die Ungarn wegen des gewonnen direkten Vergleiches gegen Österreich nicht mehr werden. Ein Sieg gegen Portugal bedeutet den Gruppensieg. Ein Remis reicht zu Rang eins, falls Island bei einem Sieg gegen Österreich nicht dank der besseren Tordifferenz vorbeizieht. Bei einer Niederlage werden die Ungarn entweder Dritter, wenn Island gewinnt, oder Zweiter, wenn die Isländer nicht siegen.
2. Island (2:2 Tore, 2 Punkte): Ein Sieg gegen Österreich, und Island ist mindestens Zweiter und im Achtelfinale. Ein Unentschieden reicht dafür garantiert, falls Portugal den Ungarn unterliegt. Gibt es dort auch ein Remis, kommt es zunächst auf die geschossenen Tore an. Ob Rang drei mit drei Punkten reicht, hängt davon ab, wie es bei den übrigen Gruppendritten aussieht.
— Cristiano Ronaldo (@Cristiano) 21. Juni 2016
3. Portugal (1:1 Tore, 2 Punkte): Ein Sieg verschafft Portugal einen Platz im Achtelfinale und Rang eins, falls Island bei einem eigenen Erfolg nicht dank der Tordifferenz oder der geschossenen Tore besser dasteht. Dann wäre der EM-Zweite von 2004 Gruppenzweiter. Dafür könnte selbst ein hohes Unentschieden reichen, falls es zwischen Österreich und Island ein niedriges Remis gibt. Allerdings könnten insgesamt drei Punkte am Ende im schlechtesten Fall nicht einmal dafür reichen, zu den vier besten Gruppendritten zu gehören.
4. Österreich (0:2 Tore, 1 Punkt): Das Team um David Alaba muss gegen Island gewinnen. Dann wäre zumindest Rang drei sicher und die Chance, als einer von vier Gruppenbesten weiterzukommen. Gewinnt Portugal nicht gegen Ungarn, würde ein Sieg sogar zu Platz zwei verhelfen.
Startruppe gegen Billigteam
Einen Titel wird Cristiano Ronaldo aus Frankreich in jedem Fall mit nach Hause nehmen. Ganz egal, ob seine Portugiesen an diesem Mittwoch bei der Fußball-EM ausscheiden sollten oder nicht. Das Magazin "Forbes" hat den 31-Jährigen während des Turniers zum bestbezahlten Sportler der Welt gekürt, rund 78 Millionen Euro soll der Stürmerstar von Real Madrid pro Jahr an Gehältern, Prämien und Werbeeinnahmen verdienen.
Würden alle 23 Spieler des nächsten Gegners Ungarn ihre Jahreseinkommen zusammenlegen, kämen sie damit nicht einmal auf ein Viertel dieser Summe. Ungarn gegen Portugal - das ist am Mittwochabend ein sehr ungleiches Endspiel um den ersten Platz oder zumindest das Weiterkommen in der spannenden Gruppe F.
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Ungarn führt die Tabelle mit vier Punkten an, obwohl die Spieler des deutschen Trainergespanns Bernd Storck und Andreas Möller den mit Abstand niedrigsten Marktwert aller 24 EM-Teilnehmer haben, wenn man die Berechnungen des Internetportals "transfermarkt.de" als Grundlage nimmt.
Balázs Dzsudzsák etwa, ihr international mit Abstand profiliertester Mann, wechselte vor einem Jahr für bescheidene 1,6 Millionen Euro von Dynamo Moskau zu Bursaspor in die Türkei. Portugal dagegen braucht in Lyon unbedingt einen Sieg, um nicht schon wie bei der WM vor zwei Jahren nach der Vorrunde auszuscheiden.
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Trotzdem sind die Spieler immer noch überall begehrt. So zahlt der FC Bayern in diesem Sommer eine Ablösesumme von mindestens 35 Millionen Euro, um sich die Dienste von Renato Sanches zu sichern. Dabei sitzt der 18-Jährige bei dieser Euro nur auf der Bank. Die Plätze im Mittelfeld sind von William Carvalho und Andre Gomes besetzt. Für die beiden bieten Manchester United und Juventus Turin dem Vernehmen nach je 40 Millionen Euro. Verteidiger Raphael Guerrero war im Vergleich dazu schon ein Schnäppchen. Für ihn überweist Borussia Dortmund nur rund zwölf Millionen Euro an den FC Lorient.
"Ich habe die Portugiesen in der Vorbereitung zwei Mal gesehen. Die haben quasi zwei komplette Mannschaften. Das war sehr beeindruckend", sagte Ungarns Co-Trainer Andreas Möller. Auch die Portugiesen selbst wissen um ihre Qualität. Sie stehen nach den beiden Unentschieden gegen Island (1:1) und Österreich (0:0) massiv unter Druck, gehen damit aber recht selbstsicher um. "Wir glauben immer noch an unser Potenzial", sagte Joao Moutinho, 2013 ebenfalls für rund 25 Millionen Euro zum AS Monaco gewechselt.
Für die meisten Ungarn ist dieses Niveau Neuland. Zwar stehen auch elf ihrer Spieler bei ausländischen Vereinen unter Vertrag. Die heißen aber nicht Real Madrid oder Bayern München, sondern Wisla Krakau (Polen), Slovan Bratislava (Slowakei) oder Al-Gharafa (Katar). Auch die in Deutschland spielenden Peter Gulacsi (RB Leipzig), Laszlo Kleinheisler (Werder Bremen), Adam Szalai (Hannover 96) und Zoltan Stieber (1. FC Nürnberg) sind in ihren Klubs überwiegend Ersatz.
Die voraussichtlichen Aufstellungen
Ungarn: Kiraly/Szombathelyi Haladas (40 Jahre/104 Länderspiele) - Lang/FC Videoton (23/13), Guzmics/Wisla Krakau (29/16), Juhasz/FC Videoton (32/92), Kadar/Lech Posen (26/31) - Gera/Ferencvaros Budapest (37/90) - Kleinheisler/Werder Bremen (22/7), Nagy/Ferencvaros Budapest (21/10) - Stieber/1. FC Nürnberg (27/14), Priskin/Slovan Bratislava (29/57/), Dzsudzsak/Bursaspor (29/79)
Portugal: Patricio/Sporting Lissabon (28/47) - Vieirinha/VfL Wolfsburg (30/24), Pepe/Real Madrid (33/73), Ricardo Carvalho/AS Monaco (38/88), Guerreiro/FC Lorient (22/9) - William Carvalho/Sporting Lissabon (24/21), 8 Moutinho/AS Monaco (29/86) - 20 Quaresma/Besiktas Istanbul (32/52), 15 Gomes/FC Valencia (22/10) - 17 Nani/Fenerbahce Istanbul (29/98), 7 Ronaldo/Real Madrid (31/128). - Trainer: Santos (61)
Schiedsrichter: Martin Atkinson (England)
Österreich zittert vor Volkshelden
Die Fischerboote bleiben im Fjord, das öffentliche Leben kommt völlig zum Erliegen - es würde nicht einmal verwundern, wenn für 90 Minuten die Geysire und Vulkane eine Pause machten: Wenn Island am Mittwoch (18 Uhr/Sat.1) im abschließenden Gruppenspiel gegen Österreich in Paris die historische Chance auf den Achtelfinal-Einzug hat, herrscht auf der kleinen Atlantikinsel Ausnahmezustand.
Schon beim jüngsten 1:1 gegen Ungarn kam das isländische Fernsehen auf eine schier unglaubliche Einschaltquote von 98,9 Prozent! Die Euphorie ist riesig bei den 330.000 Einwohnern, von denen rund 30.000 ihre neuen Volkshelden nach Frankreich begleitet haben.
Die Spieler um Kapitän Aron Gunnarsson sind längst Berühmtheiten, die EURO zur nationalen Angelegenheit geworden. Da lässt es sich selbst First-Lady Dorrit Moussaieff, Ehefrau von Präsident Ólafur Ragnar Grímsson, nicht nehmen, Abwehrspieler Ari Skúlason nach dem Portugal-Spiel noch auf dem Platz die Beine auszuschütteln.
Man stelle sich das bei Daniela Schadt, Lebensgefährtin von Joachim Gauck, und Mats Hummels vor. Das Kontrastprogramm bieten die Österreicher. In der Alpenrepublik ist vor dem "Endspiel" in St. Denis von der EM-Vorfreude nicht viel übrig geblieben. Nur ein Sieg hilft gegen den krassen Außenseiter - Österreich zittert.
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Ein Vorrunden-Aus der hochgelobten rot-weiß-roten "Burschen" um Superstar David Alaba würde sogar Erinnerungen an das blamable 0:1 gegen die Färöer wach werden lassen. Die Partie von 1990 löst in Österreich noch heute ein Schaudern aus. Noch sprechen sich die Österreicher nach zwei dürftigen Auftritten ohne Tor aber Mut zu.
"Wir sind noch am Leben. Die Hoffnung lebt absolut", sagt Trainer Marcel Koller tapfer. Jeder sei "dafür verantwortlich, die Drecks-, die Schweinemeter zu absolvieren". Der in die Kritik geratene Münchner Alaba versprach, "dass wir alles dafür tun werden, um unser großes Ziel zu erreichen".
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Auf der Titelseite der Boulevardzeitung "Österreich" ist Alaba zu sehen, wie er lächelnd den Daumen nach oben streckt, darunter die Schlagzeile: "So schaffen wir das Wunder!" Damit es kein blaues Wunder wird, forderte Marko Arnautovic von seinen Kollegen, "das Herz in die Hand zu nehmen. Wir müssen zeigen, was wir draufhaben."
Ansonsten droht bei der Rückkehr ein Spießrutenlauf. In Island würde es wohl selbst bei einem Aus einen Heldenempfang geben, zumal die Mannschaft bislang reichlich Sympathien gesammelt hat. Die Fußballer sind mega-in.
Jede Menge Promis drücken vor Ort die Daumen, darunter der deutsche Handball-Nationaltrainer Dagur Sigurdsson oder Ásgeir Örn Hallgrímsson, einer der Olympiahelden von Peking (Silber). "Wir sind das einzige Team Europas, das noch nie bei einer EM verloren hat", sagte Assistenz-Trainer Heimir Hallgrímsson schmunzelnd. Und das soll so bleiben. Ein Unentschieden könnte reichen, "aber wir werden voll auf die drei Punkte gehen", versicherte Hallgrímsson.
Die norwegische Tageszeitung "Dagbladet" hat bereits eine Unterschriftenaktion ins Leben gerufen, um Island "zu adoptieren". Das Blatt singt ein Loblied auf die Heimat von Björk, Eidur Gudjohnsen und drei (!) Miss Worlds. Und am Mittwoch vielleicht erstmals eines EM-Achtelfinalisten.
Die voraussichtlichen Aufstellungen
Island: Halldorsson - Saevarsson, R. Sigurdsson, Arnason, Skulason - Gudmundsson, Gunnarsson, G. Sigurdsson, B. Bjarnason - Sigthorsson, Bödvarsson
Österreich: Almer - Klein, Dragovic, Hinteregger, Fuchs - Baumgartlinger, Alaba - Harnik, Schöpf, Arnautovic - Janko
Schiedsrichter: Szymon Marciniak (Polen)