"Bei mir wäre die Tür für Göktan nicht zu"

Uwe Rapolder, Trainer von Löwen-Gegner TuS Koblenz, hält den Ex-Löwen-Star für einen "total begnadeten Spieler" - und würde über eine Verpflichtung nachdenken.
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Berkant Göktan, vom TSV 1860 nach einer Kokain-Affäre entlassen.
Rauchensteiner / Augenklick Berkant Göktan, vom TSV 1860 nach einer Kokain-Affäre entlassen.

Uwe Rapolder, Trainer von Löwen-Gegner TuS Koblenz, hält den Ex-Löwen-Star für einen "total begnadeten Spieler" - und würde über eine Verpflichtung nachdenken.

AZ: Herr Rapolder, am Mittwoch treten Sie mit der TuS Koblenz beim TSV 1860 an. Es ist das erste Auswärtsspiel nach dem desaströsen 0:9 in Rostock...

UWE RAPOLDER: Ich gehe mit gemischten Gefühlen ran, weil ich weiß, dass die Sechziger ein Top-Team haben. Die hatten eine schlechte Rückrunde und einen miesen Start, aber das spiegelt nicht die wahre Qualität wieder. Deshalb wird das ein schweres Spiel. Und das 0:9 spielt natürlich weiter eine Rolle. Das war der Horror! Ich hoffe nicht, dass wir gegen die Löwen gleich ein Tor kriegen. Das wäre tödlich.

Es heißt, Sie seien als Kind und Jugendlicher 1860-Anhänger gewesen.

Stimmt. Als Kind war 1860 mein Lieblingsverein, ich war absoluter Sechzig-Fan. Da fallen mir viele Namen ein: Küppers, Brunnenmeier, Luttrop, den ich heute noch gut kenne, Radenkovic, Reich... Ich habe als Achtjähriger leere Flaschen gesammelt, um Pfand zu bekommen. Damit habe ich mir dann Fußballbilder gekauft – und das Allerwichtigste war mir, dass ich die 1860-Mannschaft hatte.

Und heute wären Sie gerne Löwen-Trainer?

Schon. 1860 ist für jeden Trainer eine Herausforderung, weil dieser Verein in Konkurrenz zu den Bayern steht. Es ist der Verein der Herzen. Als Trainer von 1860 weißt du: Da geht was mit den Emotionen der Menschen.

Bewegend ist auch der tiefe Fall des Kokainsünders Berkant Göktan...

Ich weiß nicht, wie oft der Junge das Zeug genommen hat. Ich weiß aber, dass Menschen Fehler machen. Ich kann nur sagen, dass Göktan ein total begnadeter Spieler ist. Jeder verdient eine zweite Chance. Er muss auf jeden Fall von dem Zeug runter, aber immer, wenn sowas im Spiel ist, dann ist das auch eine Flucht. Ich frage mich, was für ein persönliches Problem der Junge hatte.

Köln-Trainer Christoph Daum sagte im AZ-Interview, Göktan habe eine zweite Chance verdient. 1860 hat ihm fristlos gekündigt.

Man kann einen jungen Menschen nicht definitiv verurteilen. Vielleicht hat Göktan die Tragweite des Ganzen gar nicht begriffen. Wenn einer in der Wohlstandsgesellschaft groß geworden ist, dann sind die Verlockungen natürlich extrem. Man muss vorsichtig sein, wenn man jemand verurteilen will. So einem Jungen wie Göktan muss man helfen.

Was würden Sie denn machen, wenn er Ihnen als Spieler angeboten würde?

Wenn Göktan mich anrufen würde, würde ich das persönliche Gespräch mit ihm suchen. Ich maße mir nicht an zu sagen: „Du bist keiner für uns." Dafür bin ich zu weit weg. Das kann nur ein persönliches Gespräch aufklären. Bei mir wäre die Tür für Göktan nicht zu. Wenn er an sich arbeitet, hat er eine neue Chance im Profifußball verdient.

Ihr Kollege Marco Kurz jedoch sagte, Göktan habe das ihm entgegen gebrachte Vertrauen mit Füßen getreten. Wurden Sie als Trainer von einem Spieler in ähnlicher Weise enttäuscht?

Ich hatte damals beim FC Monthey in der Schweiz mit Stefan Siebenthal einen ähnlichen Fall. Er war Nationalspieler und hatte auch ein Drogenproblem. Alle sagten: „Wirf’ den raus!“ Ich habe ihn zum Kapitän gemacht. Er hat super gespielt, ist dann aber rückfällig geworden. Ich habe ihn aus dem Trainingslager heim geschickt, und er hat mich verflucht. Drei Jahre später jedoch rief er mich an. Ihm drohte eine Haftstrafe. In St. Gallen habe ich ihm wieder eine Chance gegeben. Siebenthal hat sich super verhalten, wieder Erste Liga gespielt. Heute geht es ihm wieder gut. Das hat mir gezeigt, dass es nie zu spät ist.

Bleibt die Frage: Wie kann man verhindern, dass es so weit kommt?

Man kann die Spieler überwachen, aber das kann es nicht sein. Man muss Überzeugungsarbeit leisten und den Spielern sagen, was gut und was nicht gut ist für sie. Man muss ihnen bewusst machen, dass ihr Talent auch eine Verantwortung und eine Chance ist. Sie dürfen nicht ausnutzen, dass sie privilegiert sind. Nur durch Überwachung funktioniert das nicht.

Interview: Reinhard Franke

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