Balotelli vs. Götze und Kruse: Extravagant trifft kreuzbrav
Oder auch: Balotelli gegen Götze und Max Kruse. Wenn heute Abend Italien gegen Deutschland spielt, kommt es auch zum Charakter-Duell.
Die AZ wagt den Vergleich der Stürmertypen
MAILAND Es wäre ein wunderbares Experiment: Giovanni Trapattoni (74) trainiert Mario Balotelli (23). Ob sich die Gegensätze da wirklich anziehen würden? Oder würde „Il Tedesco” eine Wutrede nach der anderen abfeuern? Werden wir nie erfahren. Bekannt ist aber Trapattonis Meinung zum enfant terrible des europäischen Fußballs: „In einem gewissen Alter überwiegt die jugendliche Überschwänglichkeit", so der Ex-Bayern-Coach, „irgendwann erreicht man eine Ausgeglichenheit. Auch Balotelli wird die noch finden." Wetten möchte man darauf nicht. Fest steht aber, dass Italiens Stürmer vor, während und wohl auch nach dem Testspiel in Mailand ungleich mehr Aufsehen erregt als seine deutschen Sturm-Kollegen Mario Götze (21) und Max Kruse (25).
Selten hat eine Fußballerpose so viele Psychologen auf den Plan gerufen wie Balotellis nackter Oberkörper nach seinen beiden Treffer gegen das DFB-Team im Halbfinale der EM 2012. Die einen sahen darin eine Reaktion auf erlittene Benachteiligungen, ein Symbol eines Menschen mit den gesprengten Fesseln der Sklaverei, andere sprachen von „einer Markierung des Reviers", wieder andere fanden Übereinstimmungen mit Michelangelos Skulptur David oder Ridley Scotts „Gladiator". Auch Mario Götze verursachte mal ein Skandälchen mit einem T-Shirt: als bei seiner offiziellen Vorstellung beim FC Bayern der falsche Sponsorenname zu sehen war.
Es ist ein bisschen unfair, die braven Bundesligakicker Kruse und Götze mit einem brillantentragenden Unikum wie Balotelli zu vergleichen, der Italien sogar ein neues Wort schenkte: Seit Balotelli in Mailand spielt, nennt man überraschende Dummheiten oder unverständliches Gebrabbel „Balotellata”. Was Polizeidelikte, Geldstrafen und Frauengeschichten angeht, können und wollen Götze und Kruse nicht mithalten. Ein paar Fakten kann man aber schon nebeneinander halten.
Balotelli misst imposante 190 Zentimeter und zeigt jedes seiner durchtrainierten Muskelpakete sehr gerne, zur Not auf Kosten der ein oder anderen gelben Karte. Götze ist hat bei 1,76m aufgehört zu wachsen, Kruse vier Zentimeter später. Die größten Erfolge des Italieners: Champions-League-Sieger, vier Meistertitel mit Inter Mailand und Manchester City, dazu zwei Pokalsiege. Götze wurde mit dem BVB zwei Mal Meister, ein Mal Pokalsieger und deutscher Meister mit der B-Jugend. Kruses größter Triumph: Vize-Torschützenkönig bei der U19-EM 2007. Auch in der Kartenwertung liegt Balotelli vorn: drei rote, fünf gelb-rote. Götze flog einmal vom Platz, Kruse noch nie.
Kommen wir zu den Autos: Balotellis Ausfahrten sind berüchtigt; in Flensburg wäre er Tabellenführer, egal ob im Ferrari 458 oder dem tarnfarbenenen Bentley Continental GT, mit dem er Manchester unsicher machte. Hier ergibt sich eine Parallele zu Kruse, Spitzname „Maserati-Max" – nur weil er sich in Gladbach einen Sportwagen in Tarnfarben ausgesucht hatte. Ein Foto zeigt Kruses Maserati auf einem Behinderten-Parkplatz, doch es stellte sich heraus, dass nicht er ihn dorthin gestellt hatte, sondern ein Hotel-Boy. Und Götzes Fuhrpark? Flügeltüren-Mercedes SLS AMG sowie Q7 4.2 TDI quattro tiptronic in piemontrot, mit Perleffekt.
Dennoch: brave Buben gegen Mad Mario, der Mike Tyson als Vorbild nennt. Obwohl: Vor drei Jahren überraschte Kruse als MC Max in einem Facebook-Video als „halbnackter, über Sexpraktiken mit Prostituierte stammelnder Testosteron-Rapper" (Die Welt). Immerhin.
