Ballack: Matt Damon aus der DDR
Michael Ballack sammelt in den USA gerade viele Sympathien als Experte für den Sportsender ESPN. Sie halten ihn für witzig, schlagfertig, kompetent. Über seine Abstammung machen sie aber Witze.
BRISTOL - Michael Ballack sitzt, vom Zuschauer aus betrachtet, links und erklärt den Amis den Soccer. Er sieht verdammt gut aus, finden die Leute. Im Internet vergleichen sie ihn, den früheren Capitano der DFB-Elf, mit Matt Damon. Damon ist Schauspieler, Oscar-Preisträger, Hauptdarsteller in „Good Will Hunting“, er verkörpert „Jason Bourne“.
Ballack ist in den USA zur Zeit das, was Mehmet Scholl und Oliver Kahn in Deutschland sind: ein TV-Experte. Im Studio des global operierenden US-Sportsenders ESPN, in Bristol, Bundesstaat Connecticut, macht er eine sehr gute Figur, seine Zustimmungsraten sind fast so eindeutig wie Wahlergebnisse in der DDR. Ballack sitzt neben Alexi Lalas, ehemaliger US-Nationalspieler, Markenzeichen früher: langer, rötlicher Kinnbart. Lalas ist es gewohnt, den Amerikanern den Fußball, oder Soccer, zu erklären: ein Alles- und Besserwisser.
Ballack labert nicht rum wie viele andere „analysts“, er spricht in kurzen Sätzen, sehr präzise, er will nicht belehren, aber er korrigiert Lalas, gibt Kontra. Das kommt an. Deutschland gegen die Niederlande. Ballack spricht selbstverständlich Englisch, das hat er in London gelernt, während seiner Zeit bei Chelsea. „Die Niederländer haben Angst vor dem deutschen Team“, sagt er. Er trägt ein graues Jackett und ein schwarzes Hemd, er prophezeit: „Deutschland wird besser spielen als gegen Portugal.“ Ballack ist dabei, sich einen Namen zu machen als sogenannter „talking head“.
Dabei sollen seine TV-Auftritte nur sein Vorspiel sein in Nordamerika, nächste Saison würde er gerne in der MLS spielen, das neue Team aus Montreal will ihn verpflichten. Als Kommentator kommt Ballack schon mal gut an. In einer Umfrage des Fachblatts „Soccer America“ geben ihm 28 Prozent der Befragten eine „1“, 30 Prozent eine „2“, 21 Prozent eine „3“.
Ballack ist charmant, redet nicht um den heißen Brei rum, macht sich nicht künstlich wichtig. Dafür ist er lustig. Und schlagfertig. Nach dem drögen 1:1 zwischen Frankreich und England sagt er über die Engländer: „Ist dies die Art, wie man in Zukunft Fußball spielt? Wenn du drei Busse vor deinem Tor parkst, ist das kein Fußball.“ Gut kommt vor allem an, dass Ballack neben seiner Expertise auch Humor mitbringt. Vergangenen Samstag war er mit Lalas in einer Bar, sie haben sich zusammen das WM-Qualifikationsspiel der USA gegen Antigua und Barbuda angesehen (3:1).
Als die Nationalhymnen abgespielt wurden, sei Ballack groß rausgekommen, berichtet Lalas: Ballack habe zunächst die deutsche Hymne gesungen, dann die DDR-Hymne – und dann noch die russische. Lalas will einen Scherz auf Ballacks Kosten machen: „Du liebst die russische Hymne.“ Ballack grinst und kontert trocken: „One of my favorites.“ Nur ein kleiner Schlagabtausch. 14 Sekunden lang. Jetzt zu sehen auf YouTube unter dem Titel: „Michael Ballack is a Commie.“ Ballack ein Kommunist? Wenn, dann einer, den die Amis mögen.