Babbel: 's Ottmarle

Von der Notlösung zum Erfolgstrainer: Wie der gebürtige Münchner Markus Babbel denVfB Stuttgart mit dem Bayern-Gen infiziert hat.
AZ: Hallo Herr Babbel, 2007 sind Sie nach der Meisterschaft als Leadsänger in die Vereinsgeschichte des VfB Stuttgart eingegangen? Was machen Sie diesmal?
MARKUS BABBEL: Also, wenn wir Meister werden singe ich wieder. Unplugged vor 100000. Wann hat man schon mal eine solche Chance?
Damals haben sie zusammen mit Sportdirektor Jochen Schneider „You never walk alone“ gesungen.
Den Text kann man sich auch später am Abend gut merken.
Hand aufs Herz: Wie groß ist die Hoffnung auf den Titel?
Ehrlich gesagt, mit der Meisterschaft rechne ich nicht mehr. Für uns geht es darum, unsere Saison zu krönen.
Was tun Sie, damit es doch noch klappt?
Ich esse Eis.
Wie bitte? Das müssen Sie erklären.
Ich esse immer drei Kugeln für drei Punkte. Meistens klappt es. Man macht ja viele verrückte Dinge, um seinen Aberglauben zu bedienen. Danach denkt man manchmal: Hast du sie noch alle? Aber das Eis ist immer gut: zwei Vanille, ein Schoko.
Man sagt ja, Sie hätten das Bayern-Gen und wären deshalb genau der Richtige am Samstag?
Ein bisschen mehr der so genannten Bayern-Arroganz könnte der VfB von Zeit zu Zeit schon brauchen. Es muss das Ziel sein, dauerhaft unter den ersten Fünf zu sein.
Und wie kriegt man das hin?
Indem man noch mehr an sich glaubt und mit noch breiterer Brust aus dem Kabinentunnel kommt. Ich habe 16 Jahre beim FC Bayern spielen dürfen, das prägt. Als ich zehn Jahre alt war, hat man uns bei Hallenturnieren ausgepfiffen und ausgebuht, weil wir gewonnen hatten. Ich habe das zuerst gar nicht kapiert. Dann habe ich auch gesagt: Jetzt erst recht.
In Stuttgart sieht man gerne die Bayern unter Druck. Demnach wird das Finale um die Champions League für den VfB ein Kinderspiel?
Wir wissen, wo wir spielen, was nicht heißt, dass wir dort nicht gewinnen wollen. Im Gegenteil. Genau das wollen wir. Aber die Bayern sind immer dann besonders stark, wenn sie mit dem Rücken zur Wand stehen. Mannschaft und Verein haben viel Erfahrung mit solchen Spielen, in denen es um alles geht. Das am Samstag ist so eines.
Das heißt, Sie sind mit dem Platz im Uefa-Cup noch nicht zufrieden, das war aber das ursprüngliche Ziel?
Wir können stolz auf das bisher Erreichte sein. Aber ich habe der Mannschaft auch gesagt, dass es wichtig ist, nie zufrieden zu sein. Wir müssen uns immer weiterentwickeln. Jetzt wollen wir natürlich in die Champions League – und dazu müssen wir die Bayern schlagen.
Was macht Sie zuversichtlich?
Ich weiß, dass die Spieler erkannt haben, dass sie als Mannschaft Erfolg haben können. Und nur dann. Es ist seit Wochen Zuversicht spürbar, ein neuer Ehrgeiz ist gewachsen – und die Mannschaft hat seit der Winterpause eine sensationelle Saison hingelegt.
Und von Ihnen hören Sie, der VfB will maximalen Erfolg?
Das ist mein Bestreben. Man muss an sich glauben und glaubhaft bleiben. Und es ist immer noch etwas mehr drin, wenn man vorher alles dafür getan hat.
Ihre Karriere als Trainer verlief bisher geradezu traumhaft, wer hält sie am Boden?
Ich tausche mich natürlich mit einigen Leuten aus. Mit meiner Familie, allen voran meiner Frau, mit Manager Horst Heldt und unserem Pressechef Oliver Schraft. Denen habe ich auch gesagt, sie sollen mir Bescheid sagen, wenn ich was falsch rüberbringe. Und es gibt einen Management-Coach von der Uni St.Gallen, den Professor Dr. Wolfgang Jennenwein. Grundsätzlich bin ich ein bodenständiger Typ und keiner, der durchdreht.
War es als Spieler einfacher?
Als Spieler konzentrierst du dich auf dich selbst und musst höchstens Entscheidungen akzeptieren. Ein Trainer ist für 25 Mann verantwortlich. Man muss jedem gerecht werden und ich will dabei so gerecht sein wie möglich. Das gelingt nicht immer. Man muss schauen, dass die Gemeinschaft intakt ist und bei Undiszipliniertheiten konsequent handeln. Und man muss als Vorbild vorangehen.
Welcher Trainer hat Sie am meisten geprägt? Ihr Spitzname in Stuttgart ist ja bekanntlich „’s Ottmarle“?
Da liegen die Leute schon richtig. Ottmar Hitzfeld hat mir am meisten imponiert. Bei ihm habe ich am meisten gelernt, mit ihm habe ich auch sehr große Erfolge gefeiert. Die Arbeit mit ihm hat unheimlich Spaß gemacht. Das Rotationsprinzip und das Prinzip der Mannschaftsführung habe ich von ihm übernommen.
Wie steht es mit dem aktuellen Bayern-Trainer Jupp Heynckes?
Er war es, der mich als Bayern-Trainer damals in die Mannschaft gebracht hat. Jupp Heynckes ist wie Hermann Gerland ein großer Förderer von mir. Die beiden sind zwei ganz wichtige Trainer in meiner Karriere und haben für meine Laufbahn viel bedeutet. Sie jetzt unter den Voraussetzungen wieder zu treffen, ist für mich ein ganz besonderer Moment.
Heynckes und Gerland werden Ihren ehemaligen Schützling duzen, wie steht es mit den VfB-Profis, plötzlich stand der Kumpel Babbel als Trainer vor ihnen?
Die duzen mich auch, das ist doch klar. Aber ich sage: Wenn mich einer siezen muss, um Respekt zu haben, habe ich was falsch gemacht. Und dann hat er ein Problem mit mir. Auch, wenn das nicht so wirkt, ich kann knallhart sein. Aber ich will auch mein eigenes Profil schärfen. Mein Ziel ist, dass die Spieler irgendwann mal sagen: Bei dem habe ich auch ein bisschen was gelernt.
Mario Gomez wird von vielen in München sehr geschätzt und gilt praktisch als Neuzugang für die kommende Saison. Was zeichnet ihn aus?
Also ich weiß grundsätzlich, dass er hier einen Vertrag hat und im Kader des VfB Stuttgart steht. Ansonsten gehört er trotz seiner Tore zu denen, die alles für die Mannschaft tun. Er hat als Stürmer eine unglaubliche Physis, ist beidfüßig, hat einen guten Kopfball und ist schwer auszurechnen. Für jeden Verteidiger ist er schwer zu greifen.
Im Sommer müssen Sie ihre Lizenz als Fußballlehrer nachholen, was können Sie dort überhaupt noch lernen?
(lacht) Oh, viele gute Sachen. Ich verlange von meinen Spielern, dass sie hochprofessionell an ihre Aufgaben gehen und genauso werde ich das halten. Die Familie muss zwar noch öfter auf mich verzichten, aber ich gehe die Sache mit Elan und viel Interesse an. Und wir wollen die Kirche mal im Dorf lassen. Ich hatte das Glück, dass ich beim VfB so schnell Verantwortung übernehmen durfte und es gibt sehr viele Trainer, die viel mehr erreicht haben als ich. Ich stehe am Anfang, trotz meiner Erfahrung als Profi.
Gibt es noch Kontakte nach München?
Zu Christian Nerlinger, das ist ein enger Freund von mir.
Interview: Oliver Trust