AZ-Serie über Maradona: „Diego unser, der du bist in Kuba“

Argentiniens Idol ist Kult – und hat sogar eine eigene Kirche, die „Iglesia Maradoniana“. Die zehn Gebote werden da einfach umgedichtet: „Liebe den Fußball über alles andere!", heißt es etwa. Und der "Messias" will nackt durch Buenos Aires laufen, wenn...
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Kult in Argentinien: Diego Maradona.
dpa Kult in Argentinien: Diego Maradona.

MÜNCHEN - Argentiniens Idol ist Kult – und hat sogar eine eigene Kirche, die „Iglesia Maradoniana“. Die zehn Gebote werden da einfach umgedichtet: „Liebe den Fußball über alles andere!", heißt es etwa. Und der "Messias" will nackt durch Buenos Aires laufen, wenn...

Es gab eine Zeit, da wollte Emir Kusturica unbedingt Fußballprofi werden. Er wurde dann doch Filmregisseur. Auch nicht schlecht. Doch der Ball ließ ihn nie los. 1982 sah er das 4:2 des FC Barcelona in Belgrad – mit zwei Toren eines gewissen Diego Armando Maradona. An diesem Abend fasste er einen Entschluss, doch es sollte 25 Jahre dauern, bis der Dokumentarfilm „Maradona by Kusturica“ Premiere beim Filmfestival in Cannes feierte. Kusturica sagte: „Es war sehr heilend für mich, mit Diego den Film zu machen. Es war, wie einen guten Freund zu finden. Ich weiß nicht, ob ich so einen vorher hatte."

Großes Kino: Dafür stand der Name Maradona schon immer. Dagegen laufen die Scherzversuche eines Matze Knop eher unter der Rubrik Sakrileg. Wer sich mit dem Phänomen Maradona beschäftigt, kommt ja am Begriff Gott nicht vorbei – nicht nur wegen der „Hand Gottes“.

„Wenn Fußball eine Religion ist, dann ist Diego Maradona ihr höchster Ausdruck.“ Der Satz stammt von Hernan Amez, einem Maradona-Fan und dem Mitbegründer der „Iglesia Maradoniana“, der Kirche Maradonas. Am 30. Oktober 1998 feierten Amez und sein Kumpel Héctor Campomarin in Rosario an Maradonas Geburtstag Weihnachten, aus Spaß, mit ein paar Freunden. Im nächsten Jahr wiederholten sie die Gaudi, und als im Jahr darauf ihr Held in der Klinik um sein von Drogen zerstörtes Leben kämpfte, wuchs die Zahl der Maradona-Jünger in den fünfstelligen Bereich. Aus dem Spaß wurde nun fast religiöser Ernst. „Wir haben einen Gott der Vernunft, das ist Jesus Christus, und einen Gott des Herzens, das ist Diego", erklärt Al ejandro Veron, ein Anhänger der Maradona-Kirche.

Die zehn Gebote wurden umgedichtet: „Liebe den Fußball über alles andere! Der Ball soll nicht befleckt werden! Verbreite Diegos Wundertaten rund um den Erdball!" Das „Vater unser" beginnt für die Apostel Maradonas so: „Diego unser, der du bist in Kuba..." Auch eine neue Zeitrechnung musste her, basierend auf Maradonas Geburt. 2010 ist das Jahr 50 DD (Después de Diego, „nach Diego"). Der 30. Oktober gilt als höchster Feiertag und wird als Navidad (Weihnachten) gefeiert. Maradonianische Ostern sind in der Nacht vom 21. auf den 22. Juni: zum Gedenken an das WM-Viertelfinale 1986 gegen England. In einem Cafe in Buenos Aires läuft seitdem ein Video dieser Partie in Endlosschleife.

Im Laufe der Jahre ist ein Kult um Maradona entstanden. Schmarotzer und Prominente drängen sich neben ihn aufs Foto. Andererseits sucht auch Maradona die Nähe der Mächtigen. Längst Legende: seine Begegnungen mit Fidel Castro während seiner Entziehungskur auf Kuba. „Für mich ist er ein Gott", schwärmte der Kicker, küsste dem Alten die Hand und zeigte ihm stolz sein Fidel-Tattoo auf der linken Wade. Irgendwie teilt Maradona mit Castro eine Aura der Unsterblichkeit. Später sollte er Castro für seine TV-Show „La Noche del Diez" (Die Nacht der Nummer 10) interviewen – fünf Stunden lang. Fidel lobte: „Diego, du hast ein Denkmal verdient." Das setzte er sich mit seinen 30 TV-Sendungen gleich selbst. Mit Pele, der ihn eigentlich nicht mag, sang er einen Tango-Song. Mit Robbie Williams war er sich einig, dass argentinische Frauen die heißesten sind und George W. Bush ein Idiot ist. Auch Mike Tyson kam als Gast.

Mittlerweile gibt es mehrere Filme über Maradona, ein Maradona-Museum und das Musical „El Diez – entre el Cielo y el Infierno" (Die Zehn - zwischen Himmel und Hölle). Und vielleicht bald ein neues Filmchen: Sollte er mit Argentinien Weltmeister werden, das hat Maradona angekündigt, will er nackt um den Obelisk in Buenos Aires laufen.

Thomas Becker

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