AZ-Kommentar zur WM-Analyse von Bundestrainer Joachim Löw
Sie zeigten Reue, Selbstkritik, gaben Fehler zu – gut so! Eine fast zweistündige WM-Analyse als komprimiertes Seminar, das die Köpfe rauchen ließ.
Was bleibt? Bei mir der Eindruck, dass Bundestrainer Löw und Teammanager Bierhoff im Großen und Ganzen weiter an ihrem Plan festhalten, ja sich festklammern an frühere Erfolge und Erkenntnisse. Die Vision vom Ballbesitz-Fußball wolle man nicht aufgeben, lediglich eine andere Balance finden, eine defensivere Spielweise anwenden, so Löw.
Die Kommerzialisierung und Marketingmaßnahmen könne man nicht stoppen, so Bierhoff, höchstens überdenken.
Schön, gut und richtig – aber alles keine Revolution, eher ein vorsichtig-verhaltener Neustart. Das zeigt auch der Kader für die Länderspiele, in dem 17 von 23 WM-Versagern auftauchen.
Löw hätte schon während der WM reagieren müssen
Der Trainerstab wird verkleinert, der Betreuerstab ebenso. Aber auch die Angreifbarkeit, die Fehlerminimierung? Recht früh während der WM war klar: Ballbesitz und Dominanz können Meisterschaften gewinnen, aber nicht mehr knackige Turniere mit K.o.-Runden.
Das hat auch die DFB-Analyse zu Tage gebracht. Aber warum konnte der Bundestrainer das sinkende Schiff, das klar auf Eisbergkurs Vorrunden-Aus war, nicht kurzfristig mit den vorhandenen GPS-Daten der Konkurrenz ausstatten? Warum konnte er das Ruder nicht herumreißen, seine Besatzung hinsichtlich Mentalität neu auf den Horizont Titelverteidigung ausrichten?
Weil er durch die Wir-sind-Weltmeister-Brille guckte. Diese Brille war verschleiert, rosarot. Nach außen spiegelte sie Arroganz wider. Das hat Löw eingesehen. Ein erster Schritt. Zwölf Jahre ist er im Amt.
Am Mittwoch war Tag eins der "zweiten Amtszeit". Er hat sich hinterfragt, nun muss er sich neu erfinden. Noch ist der neue Löw zu sehr der Alte.
Im Video: Löw gesteht Fehleinschätzungen und Arroganz ein
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