Außer Gesten nichts gewesen: Wie es nach der WM-Blamage beim DFB nun weitergeht

Der Hamad-International-Airport, Terminal eins. Hier fand er statt, der letzte unrühmliche Auftritt der deutschen Nationalmannschaft bei der WM in Katar.
Für 11.45 Uhr war am Tag nach dem Schockerlebnis Vorrunden-Aus trotz des 4:2 gegen Costa Rica eine Erklärung von DFB-Präsident Bernd Neuendorf angekündigt. Es dauerte aber eine halbe Stunde, bis das vom Weltverband Fifa abgewunkene Setting von den katarischen Behörden abgesegnet wurde. Eine Genehmigung fehlte noch. Vor Check-In Nummer zehn machte der von einer schlaflosen Nacht gezeichnete Neuendorf sein lediglich knapp über zwei Minuten langes Statement.

"Meine Erwartung an die sportliche Leitung ist, dass sie zu diesem Treffen eine erste sportliche Analyse dieses Turniers vornimmt. Dass sie aber auch Perspektiven entwickelt für die Zeit nach dem Turnier mit dem Blick auf die Europameisterschaft im eigenen Land", sagte Neuendorf.
Koffer packen, Illusionen und Träume begraben
Die Analyse, so die Forderung des Präsidenten, müsse "die Entwicklung der Nationalmannschaft und unseres Fußballs seit 2018" umfassen. Klingt ganz und gar nicht nach einer entspannten Runde für Bundestrainer Hansi Flick und DFB-Direktor Oliver Bierhoff.
Nach einer letzten, sicher wenig bekömmlichen Nacht im "Zulal Wellness Center" im Norden Katars hieß es genau zwei Wochen nach der Landung in Katar: Koffer packen, Illusionen und Träume begraben.
"Es ist wie in einem Horrorfilm", stöhnte Kai Havertz, der mit seinen zwei Toren als Joker noch dazu beigetragen hatte, aus dem 1:2-Rückstand noch einen (am Ende zwecklosen) 4:2-Erfolg zu machen. Weil Spanien nicht ganz uneigennützig mit 1:2 gegen Japan unterlag, Platz zwei in der Gruppe bevorzugte, um Brasilien in der K.o.-Runde erstmal aus dem Weg zu gehen.
"Wir haben unsere Hausaufgaben erfüllt, ein Sieg mit zwei Toren Differenz war das Ziel", sagte Manuel Neuer, schlug aber wie Havertz, Kimmich und Co. bemerkenswert naive Töne an: "Mit dem Ergebnis von Spanien war so sicher nicht zu rechnen."
Bayern-Block konnte es alleine nicht richten
Doch warum sich auf andere verlassen und nicht die Dinge selbst anpacken? Gegen die aufopferungsvoll kämpfenden, aber im Gesamtvergleich limitierten Lateinamerikaner, die von Spanien sieben Stück kassiert hatten, wäre ein 8:0 machbar gewesen. Mit mehr Mut und Konsequenz im Spiel nach vorne hätte Flick das Signal zum bedingungslosen Angriff gegeben, ebenso mit der Aufstellung des Mittelstürmers Niclas Füllkrug von Beginn. Er entschied sich dafür, den bei der gesamten WM glücklosen Oldie Thomas Müller erneut aufzustellen und hoffte auf die romantische Idee, der sieben Mann starke Bayern-Block werde es wie unter seiner Regie 2020/21 schon richten.
Diese bayerische Nibelungen-Treue wurde zum Trugschluss. "Wir haben es gegen Japan vergeigt", fand Neuer. Im ersten Gruppenspiel ließ man völlig fahrlässig aus einem 1:0-Auftaktsieg eine 1:2-Schlappe werden. Aus dem Negativ-Sog konnte man sich nur kurz durch das späten 1:1-Ausgleich von Füllkrug gegen Spanien ziehen, der im Rückblick auch nur eine "lebenserhaltende Maßnahme" war.
Neben dem Werder-Stürmer war Dribbelkünstler Jamal Musiala der einzige Lichtblick im DFB-Kader, doch auch dem Bayern-Teenager waren Effizienz und Killerinstinkt abhandengekommen.
"Die letzte Gier, dieses etwas Dreckige - das fehlt uns"
"Die letzte Gier, dieses etwas Dreckige - das fehlt uns", analysierte Abwehrchef Antonio Rüdiger, selbst eine der sportlichen Enttäuschungen. Der Real-Profi meinte: "Viel Talent, alles schön und gut. Aber da gehört mehr dazu als einfach nur Talent, da spielen auch andere Faktoren eine Rolle. Da müssen wir uns verbessern, ansonsten kommen wir nicht weiter."
Auch die Nebengeräusche störten. Der bockige Verzicht auf das Entsenden eines Spielers zur Pressekonferenz am Tag vor dem Spanien-Spiel war lediglich eine Petitesse im Vergleich zum tagelangen Zoff mit dem Weltverband Fifa um das Tragen der "OneLove"-Kapitänsbinde. Schließlich knickte man in Absprache mit den anderen rebellischen Nationen ein, entschloss sich jedoch zu jener Mund-zu-Geste vor dem Japan-Spiel. Das Foto ging um die Welt, die Aktion fand internationale Anerkennung. Immerhin: Das bleibt.
Aber sonst? Außer Gesten nix gewesen.
Am frühen Abend landete der Linienflug LH343 zunächst in München, dann in Frankfurt. Danach hieß es für die Spieler: Nichts wie weg. Ab zu ihren Familien und Liebsten, ab in den Urlaub.