Auf ganz leisen Sohlen: Die Probleme der DFB-Elf

Beim 1:1 in der Schweiz ist wieder offenbar, dass es dieser Nationalelf an Spielern fehlt, die vorangehen, die eindeutige Kommandos geben. Gündogan macht sich erst hinterher Luft: "Das geht mir auf den Sack."
von  Patrick Strasser
Die DFB-Elf enttäuschte beim 1:1 gegen die Schweiz.
Die DFB-Elf enttäuschte beim 1:1 gegen die Schweiz. © imago images / ULMER Pressebildagentur

Basel - Es ist September und die deutsche Nationalelf von Bundestrainer Joachim Löw hat in diesem Kalenderjahr kein einziges Spiel gewonnen. Okay, ein wenig ketzerisch formuliert nach zwei Unentschieden in zwei Partien. Außerdem waren aufgrund der Corona-Pandemie sämtliche Länderspiele bis zum Beginn dieser Nations-League-Gruppenphase gestrichen worden.

"Beide Spiele waren mit Licht und Schatten, mit guten Ansätzen, aber natürlich auch mit Fehlern", lautete das Fazit von Löw am späten Abend im "Joggeli" wie der Basler "St. Jakob-Park" von den Einheimischen liebevoll genannt wird. Jogi Löw weiter: "Die Gefühle sind gemischt. Natürlich will man die Spiele gewinnen."

Wichtiger seien ihm jedoch die "guten Erkenntnisse" gewesen. Etwa, "dass die Spieler willig waren, die Dinge umzusetzen". Zum Beispiel das "mutige Eins-gegen-Eins", das man "so in der Form noch nie gemacht" habe.

Joachim Löw bittet um Nachsicht

Verbunden mit höherem Risiko, "weil wir total Mann gegen Mann gespielt haben bis in des Gegners Hälfte". Einziger Haken: "Wir machen das aber nicht über 90 Minuten, das habe ich fast schon erwartet." Spielpraxis fehlte, das unterschiedliche Fitness-Level kam dazu. "Es war eine ganz spezielle Woche, man wusste nicht, wo die Spieler stehen", bat Löw um Nachsicht.

Gegen die Schweiz, einen Gegner, der vom Leistungsvermögen ein bis zwei Kategorien tiefer angesiedelt werden muss als die Spanier, riss nach der Führung der Faden.

Ilkay Gündogan schimpft

Am Ende hatte Deutschland eher Glück, nicht noch verloren zu haben. "Das Spiel kann man eigentlich 2:0 oder 3:0 gewinnen. Wir hätten es eiskalt durchspielen müssen. Ich weiß nicht, ob es Qualitätsfrage ist, aber daran müssen wir arbeiten", schimpfte Ilkay Gündogan, der Torschütze zum 1:0.

Das sah auch Löw so: "Wenn man dann das 2:0, das mehr Sicherheit gegeben hätte, nicht macht, lässt man den Gegner wieder ins Spiel."

Nur Fahrlässigkeit? Sorglosigkeit? Wieder zwei Punkte verloren, wieder Lehrgeld gezahlt, den Sieg verbaselt. "Das Problem war, das zweite Tor fehlt uns, das zieht sich manchmal durch. Daran müssen wir arbeiten", forderte Löw.

Bayern-Block um Manuel Neuer nicht dabei

Natürlich vermisste man den Bayern-Block um Kapitän Manuel Neuer sowie Joshua Kimmich, Serge Gnabry und Leon Goretzka. Die Champions-League-Helden aus München steigen erst diese Woche nach einem zweiwöchigen Urlaub wieder ins Training ein.

Mit dem Quartett fehlt ein wichtiges Gerüst, das nicht nur für Qualität, sondern auch für Führungsstärke und lautstarkes Auftreten auf dem Platz steht. Gündogan wurde erst hinterher am ZDF-Mikrofon deutlich: "Ich bin etwas angepisst. Wir haben Bälle verloren, die wir ganz leicht festmachen können. Beim Gegentor haben wir den Ball schon gesichert und spielen ohne Bedrängnis einen Fehlpass. Sowas darf auf dem Niveau nicht passieren. Das ist ärgerlich und geht mir auf den Sack."

Gut gebrüllt! Aber eben erst nach dem Abpfiff. Löws Mannschaft kommt eher auf leisen Sohlen - besser gesagt: auf leisen Stollen - daher. Nicht nur beim Pressing als Verbund im Raum, sondern auch - wie experimentiert - bei der Variante Mann gegen Mann braucht es aber laute, klare Kommandos.

Auch Toni Kroos zeigt sich enttäuscht

Kapitän Toni Kroos beklagte eher die fachlichen Versäumnisse: "Das Spiel war leider ähnlich wie gegen Spanien. Wenn der Gegner hoch anläuft, haben wir keine Lösungen gefunden. Vorne haben wir viel zu viele Ballverluste gehabt. Wenn sechs Punkte zu verteilen sind und man nur zwei holt, dann ist das enttäuschend."

Selbst die Schweizer mit all ihren aktuellen und ehemaligen Bundesliga-Profis wunderten sich über so viel Freiraum und so viele eigene Chancen. Kapitän Granit Xhaka sagte: "Sie waren ein bisschen überraschend nicht so gut wie gewohnt."

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