Auch ein Schiri im Visier
Viertliga-Referee unter Verdacht, insgesamt wohl 32 Partien in Deutschland manipuliert, Politik gibt sich gelassen – und beim VfL Osnabrück wehren sich die verdächtigen Spieler: „Nie manipuliert“
MÜNCHEN Wie viel Kreativität es braucht, um hunderte Fußballspiele in ganz Europa zu manipulieren, beweist vielleicht das Beispiel des bosnischen Klubs NK Travnik. Im Sommer finanzierte die Wettmafia dem Klub ein Trainingslager in der Schweiz. Bedingung: Travnik sollte ein Testspiel gegen den dortigen Erstligisten FC Sion mit dem richtigen Ergebnis verlieren. Travnik verlor 1:4 – und alle profitierten: Der Klub hatte sein Trainingslager, Sion den Glauben, gut für die kommende Saison gerüstet zu sein – und die Betrüger, die bei einem asiatischen Wettanbieter eine größere Summe Geld auf dieses Ergebnis gewettet hatten, einen dicken Profit.
Systematisch und mit beispielloser krimineller Energie hat die Wettbande Europa den größten Wettskandal der Geschichte beschert – und der Staatsanwaltschaft Bochum viel Arbeit. Insgesamt mehr als 200 Spiele soll die Bande von Deutschland aus manipuliert haben, davon mindestens 32 Spiele in Deutschland – von der zweiten Liga abwärts. Der jetzige Drittligist Osnabrück ist wegen der Manipulationen möglicherweise aus der Zweiten Liga abgestiegen, Regionalligist SSV Ulm hat möglicherweise nur durch verschobene Spiele die Klasse gehalten. Bestochen wurden Spieler, Trainer, Funktionäre; auch gegen einen deutschen Viertligaschiedsrichter wird ermittelt. 17 Personen wurden bisher verhaftet, davon 15 angeblich in Deutschland.
Die AZ beantwortet die wichtigsten Fragen.
WIE WURDE VERSCHOBEN?
Laut „Welt am Sonntag“ handelt es sich bei den Drahtziehern um eine fünfköpfige Gruppe, der auch Ante Sapina, der schon an der Hoyzer-Affäre 2005 beteiligt war, angehören soll. Die Gruppe organisierte den Betrug, der von einer weiteren Gruppe umgesetzt wurde. Teilweise sollen die bestochenen Spieler, Trainer und Funktionäre direkt nach den Spielen bezahlt worden sein – in bar. Ihre Wetten platzierten die Verächtigen meist bei dubiosen, oft auch illegalen Wettbüros in Asien.
WIESO WURDE NICHTS BEMERKT?
Nach dem Hoyzer-Skandal installierten DFB und DFL ein Frühwarnsystem. Dieses soll Alarm schlagen, wenn auf einzelne Spiele oder Ergebnisse ungewöhnlich hohe Summen Geld gewettet werden. Doch das Alarmsystem versagte. „So gut die Warnsysteme sind, den Schwarzmarkt werden sie schwer überprüfen können. Von Wettbüros, die es ofiziell gar nicht gibt, lassen sich schwierig Informationen bekommen“, sagte Wolfgang Feldner, der das Fifa-Frühwarnsystem leitet, der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Weiter nannte Feldner Spielmanipulationen wegen Sportwetten „eine der größten Bedrohungen für den Fußball – vergleichbar gefährlich wie Doping“.
WIE VIEL WURDE GEZAHLT?
Einzelnen Spielern soll die Bande je nach Bedeutung des Spiels und der Gewinnmöglichkeit zwischen 10000 und rund 30000 Euro bezahlt haben. Pro Spiel waren für die Bande je nach Einsatz bis zu 25000 Euro Gewinn drin. Der Gesamtschaden beläuft sich nach Schätzung der Bochumer Staatsanwäte auf rund zehn Millionen Euro.
WAS IST MIT DER BUNDESLIGA?
Die Profis würden nicht mitmachen – glaubt Frankfurts Boss und DFL-Vorstand Heribert Bruchhagen: „Ich halte es für ausgeschlossen, dass ein Spiel in der ersten Liga manipulierbar ist; nicht einmal ein einzelner Spieler. Denn diejenigen, die auf dem Platz stehen, sind alle sehr gut bezahlt und geschützt in ihrer persönlichen Umgebung.“ Buchhagen gab bei „Liga total“ aber zu, den Fall Hoyzer auch für unmöglich gehalten zu haben.
WIE REAGIERT OSNABRÜCK?
Stürmer Thomas Reichenberger beteuerte vor dem Heimspiel Osnabrücks gegen Dortmund II vor der Fankurve seine Unschuld: „Ich habe nie ein Spiel manipuliert.“ Auch Thomas Cichon, der jetzt in Südafrika spielt, und Marcel Schuon (jetzt Sandhausen) wollen nicht manipuliert haben. Die drei sind, anders als Kristian Sprecakovic vom Landesligisten Würzburger Kickers, auf freiem Fuß. Ihre Wohnungen wurden jedoch durchsucht.
WIE REAGIERT DIE POLITIK?
Vorerst gar nicht. Justizministerin Sabine Leuthauser-Schnarrenberger glaubt, dass die bestehenden Gesetze ausreichen. Sie sagte im „Tagesspiel“: „Die Verurteilungen der Vergangenheit – etwa von Herrn Hoyzer und Herrn Sapina im Wettskandal 2005 – zeigen, dass auch auf der Basis des geltenden Rechts Manipulationen und Betrugsvorwürfe im Sport sachgerecht geahndet werden können.“ fil