Atze Schröder liebt Schwedenhäppchen: Interview vor WM-Spiel
AZ: Eine Frage vorab: Wie sollen wir Sie eigentlich nennen: Herr Schröder klingt komisch bei Ihnen. Einfach Atze?
ATZE SCHRÖDER: Selbst meine Mutter sagt Atze zu mir.
Dann also Atze: Klären Sie uns doch mal auf, wie sieht eine perfekte Abendgestaltung für Atze Schröder, den König des bodenständig-zotigen Humors, während der WM aus?
Da bin ich ganz klassisch unterwegs. Grillen draußen auf der Terrasse. Drinnen der große Fernseher. Ich habe mir letztes Jahr so eine Art Heimkino gegönnt. Ich bin ja auch ein großer Film-Fan. Das zahlt sich jetzt aus, weil bei mir zu interessanten WM-Spielen die Bude rappelvoll ist.
Ein echtes Atze-Happening?
Auf jeden Fall eine sehr gute Investition in die Freundschaft.
Lassen Sie uns raten: Mexikanisch ist nach der 0:1-Auftaktpleite gegen die Südamerikaner gerade nicht so angesagt.
(lacht) Genau an dem Tag, an dem wir gegen Mexiko gespielt haben, hatte ich mit Augenzwinkern mexikanisch vorbereitet. Nach dem Spiel gab es tatsächlich Burritos. Eigentlich waren wir gar nicht traurig, man hat es den Mexikanern ja irgendwo gegönnt, weil sie einfach besser waren.
Jetzt Schwedenhäppchen?
Die sind jetzt das Leibgericht! Wenn wir das Spiel verlieren, wird hier jedes Ikea-Möbel verbrannt. Am Samstag hört der Spaß auf. Es ist verpflichtend, dass wir über die Vorrunde hinauskommen. Und zwar aus ganz egoistischen Motiven.
Lassen Sie hören.
Weil ich eine Einladung zu den beiden Halbfinal-Partien in St. Petersburg und Moskau habe, da will ich nicht unbedingt Iran gegen Panama sehen. Da muss man Hardcore-Fußballfan sein, wenn man sich darauf riesig Freude würde.
Ist der moderne Fußball mit all den durchgestylten Typen, die mehr Zeit fürs Haar-Gelen verwenden als fürs Aufwärmen, noch Atze-Fußball?
Gegen gute Frisuren hatte ich noch nie was einzuwenden, wie man ja sieht. Der Fußball hat sich aber sehr verändert. Die spielen alle viel schneller. Und vor allem: Alle sind tätowiert. Man hat das Gefühl, der Letzte, der im Fußballgeschäft ist und noch nicht tätowiert ist, ist Jupp Heynckes. Früher hätte ich auch noch Uli Hoeneß gesagt. Aber bei dem bin ich mir nicht mehr sicher, weil er ja im Knast war, ob er nicht ein Knast-Tattoo hat. Nicht, dass er jetzt Mitglied bei den Bandidos ist. Aber klar, ich bin mit Fußballern wie Paul Breitner oder Horst Hrubesch groß geworden.
Die waren bei der optischen Entwicklung der Figur Atze Schröder Geburtshelfer, oder?
Breitner und auch Rudi Völler in seinen Glanzzeiten waren sicher absolute Vorbilder für Atze Schröder, ja.
Wer ist denn ein Bruder in Atzes Geiste in der Nationalelf?
Auf jeden Fall Thomas Müller! Weil er auch immer einen flotten Spruch hat, er volkstümlich ist und er – egal, in welcher Situation – gut gelaunt ist. Müller ist der bayerische Atze!
Wem würden Sie eigentlich den Atze-Schröder-Gedächtnispreis verleihen?
Puh, jetzt muss ich wirklich richtig nachdenken.
Das schadet bekanntlich nie.
Die Frage hatte ich echt noch nie. Ich nehme Leroy Sané, weil der zur Zeit die interessanteste Frisur hat mit seinen Zöpfchen. Der ist auf jeden Fall mein legitimer Nachfolger.
Sie haben mal gesagt, dass Jogi Löw den Sex in den Fußball zurückgebracht hat. Ein größeres Kompliment kann es aus Ihrem Mund nicht geben!
Danke, Jogi! Er hat überhaupt erst den Sex in den Fußball gebracht. Ich bin eben mit Spielern wie Horst Hrubesch, Paul Breitner oder Hans-Peter Briegel groß geworden. Die sind so wie verfilzte Mammuts über den Platz getrabt. Man hatte immer das Gefühl, sie wollen sich am gegnerischen Pfosten das Fell schubbern. Was da heute auf der Trainerbank sitzt, raubt den Atem. Man hat den Eindruck, dass stets ein Duft von Nivea durchs Stadion weht. Selbst Frauen, die sich früher nie für Fußball interessiert haben, rücken mittlerweile die Couch näher an den Fernseher, um bei den Spielen alles zu sehen. Epiliert am ganzen Körper, weniger Körperhaare als Flipper – so sind Spieler wie Cristiano Ronaldo.
Wie bewusst war die Entscheidung, dass Atze extrem unpolitisch auf der Bühne agiert?
Da grenze ich mich auch zum Kabarett ab. Ich will, dass die Leute in meiner Show vollkommen abschalten können. Da will ich nicht über Probleme reden, sondern diese eher lächerlich machen. An der Kanzlerin interessiert mich als Atze Schröder mehr ihr rosa Blazer als eine neue Abmachung mit Seehofer.
Wobei Bundeskanzlerin Angela Merkel ja auch fußballvernarrt ist. Sie ist das erste Kabinen-Groupie der Fußball-Nation.
(lacht) Stimmt. Wenn Merkel jetzt nicht bald mal in der Kabine auftaucht, haben wir wirklich keine Chance bei der WM.
Sie sind hingegen sozial und politisch sehr engagiert. Fällt es manchmal schwer, Humor für "das Volk"zu machen, wenn man sieht, wie sich die Stimmung des Volkes etwa gegen Flüchtlinge gewandt hat?
Deswegen nehme ich solche Thematiken im neuen Programm auch auf. Da rede ich darüber, dass ich eine syrische Flüchtlingsfamilie als Nachbarn habe, dass ich ganz normal mit ihnen feiere. Solche Nummern tragen im günstigsten Fall dazu bei, Ängste abzubauen. Hier war es so, dass die Autoren strikt gegen die Thematik waren, die meinten: Verbrenn’ dir nicht die Finger daran. Ich wollte es aber unbedingt. Die Nummer hat lange nicht funktioniert. Jeden Abend sagten die Autoren, lass es doch. Aber dann haben wir einen Dreh gefunden und nun sagen sie: Gut, dass du dran geblieben bist. Es ist immer schön, wenn man Comedy verwenden kann, um Ängste zu überwinden.